Buch-Rezension„Ein Eisbär in Afrika“: mit Schnullervorrat durch Namibia

Madleen und Peter sind vom Afrika-Virus infiziert, immer wieder treibt es die beiden auf diesen Kontinent. Klar, dass Sohn Nanook sie dabei begleitet – schon mit 18 Monaten! Wir stellen ihren sehr persönlichen Reisebericht vor.

von KidsAway-Redaktion

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"Ein Eisbär in Afrika" © Madleen Nothnagel

"Ein Eisbär in Afrika"

© Madleen Nothnagel

Wenn Abenteurer Eltern werden … ändert sich an ihrer Reiselust nicht viel. Das ging auch Madleen Nothnagel und Peter Cipra nicht anders, als 2011 ihr erster Sohn Nanook Lion geboren wurde.

Die Sehnsucht nach Afrika blieb und so reisten die beiden trotz vieler Warnungen aus dem Freundeskreis und einer besorgt blickenden Kinderärztin mit ihrem 18 Monate alten Sohn durch den Norden Namibias.

Was dieses Buch nicht ist, macht die Autorin gleich am Anfang klar: ein klassischer Reiseführer mit Tipps zu Routen, Hoteladressen und Preisvergleichen. Stattdessen berichtet Madleen in lockerem, reisetagebuch-ähnlichen Stil, was sie mit ihrer kleinen Familie auf 4.000 Kilometern Staubpiste in knapp drei Wochen erlebt hat.

Sie beschreibt ihre täglichen Erlebnisse beim Reisen mit einem Kleinkind, aber auch ihre Gedanken als erwerbstätige Mutter, die sich viel zu selten Zeit nimmt, auf sich selbst zu achten. So werden die ursprünglichen Landschaften Afrikas und das Leben fern der westlichen Zivilisation, wie schon für zahlreiche Reiseschriftsteller vor ihr, auch zum Symbol für die ersehnte innere Harmonie, nach der Madleen auf der Suche ist.

 

Schon bevor sie eine Familie gründeten, reisten Madleen und Peter quer über den afrikanischen Kontinent: Bungee-Jumping an den Victoria Falls in Simbabwe, Kilimanjaro-Besteigung in Tansania oder Reisen durch das Okavango-Delta in Botswana – die beiden ließen nichts aus und schlossen auf ihren vielen Trips tiefe Freundschaften mit Afrikanern verschiedenster Herkunft. Überraschend für den lesenden „Normalurlauber“, aber wohl ganz normal für Afrika ist, dass die beiden auch zwanzig Jahre später von diesen Freunden und ihren Kindern wiedererkannt und freudig begrüßt werden. Und nicht nur das – wie es der Zufall will, entdeckt Madleen tatsächlich auch noch eine Tante, die vor Jahrzehnten nach Namibia ausgewandert ist!

Auf diese Weise entsteht eine gänzlich andere Perspektive auf ein Land und seine Bewohner als auf einer vorgebuchten und durchgeplanten Rundreise mit Zwischenstopps in luxuriösen, klimatisierten Resorts – eine Art des Reisens, die sich die gestandenen Afrika-Traveller mit Alu-Essenkiste, nicht klimatisiertem Geländewagen und engem Dachzelt so gar nicht vorstellen können, wie an einigen süffisanten Seitenhieben auf „Otto-Normal-Touristen“ zu erkennen ist.

Die Afrika-Experten mit ihrer Survival-Ausrüstung © Madleen Nothnagel

Die Afrika-Experten mit ihrer Survival-Ausrüstung

© Madleen Nothnagel

Madleen und Peter wollen das „richtige“ Afrika erleben, das machen sie ganz klar: die abgelegenen Landesteile entdecken, wilde Tiere sehen und Afrikaner verschiedenster Stämme in ihren Dörfern besuchen, wo sie noch traditionell leben. Auf Holperpisten Staub fressen, afrikanische Hitze und Gewitter im Dachzelt überstehen, traditionelles „Milipap“ (ein Brei aus Maismehl) essen und mangels Toilettenstopps in Plastiktüten pinkeln, das gehört nun mal dazu – und der kleine Nanook macht all das eben einfach mit.

 

Dabei er- und überleben die Eltern jeden Tag den „ganz normalen Familienwahnsinn“ mit einem willensstarken Kleinkind – vom Arztbesuch wegen mysteriöser Bindehautentzündung über peinliche Pool-Unfälle des kleinen Windelträgers bis zu Wutanfällen im Supermarkt. Mit Kind im Gepäck sind keine langen Nächte am Lagerfeuer mehr drin, allzu abgelegene Gegenden werden sicherheitshalber vermieden, Schnuller und Kekse stehen ganz oben auf der Packliste und der Kampf um den Mittagsschlaf bestimmt so manchen Tag. All das müssen reisende Eltern eben auch managen, egal ob in Afrika oder zu Hause.

Mit Nanook besuchen Madleen und Peter zwei der letzten Urvölker Namibias, die Himba und die Buschleute (San). Im traditionellen Kraal, in den Slums der Großstädte, aber auch auf den Farmen von weißen Namibiern lernt der kleine Nanook das Land in allen Facetten kennen. Und seine Namenspaten, die Löwen, machen ihm gar keine Angst – laut brüllt er mit ihnen, als er die großen Raubkatzen bei der Fütterung auf einer Farm beobachtet.

Dem willensstarken Söhnchen bekommen Hitze, Schmutz und Krabbelviecher erstaunlich gut – woran man sieht, dass es beim Reisen mit Kleinkind tatsächlich vor allem auf die innere Einstellung der Eltern ankommt. Und Nanook denkt auch zu Hause in Wismar noch oft an „Afika“; er ist dort innerlich und äußerlich gewachsen. Beim Spielen mit eingeborenen Kindern, beim Herumrennen mit den Farm-Hunden und beim Socken waschen neben Gleichaltrigen, die so etwas täglich tun müssen, hat er viel Selbstvertrauen gewonnen und sicher auch einen Sinn für kulturelle Verständigung bekommen, den sich viele Erwachsene erst mühsam antrainieren müssen.

Bei den San in Namibia © Madleen Nothnagel

Bei den San in Namibia

© Madleen Nothnagel

„Ein Eisbär in Afrika“ will anderen Eltern Mut machen, aus dem Alltag auszubrechen und auch mal ungewöhnliche Wege zu gehen, denn nur so kann man als Familie wachsen. Das kann eine Reise nach Afrika sein, es kann auch etwas ganz anderes sein; wichtig ist nur, dass man seine inneren Bedürfnisse und Träume nicht zu tief vergräbt. Hat man einmal erkannt, dass man das Glück nur in sich selbst finden kann, erkennt man auch im „grauen“ deutschen Alltag überall interessante Farbtupfer.

Für seine Eltern ist es völlig unerheblich, dass Nanook bei seinem ersten Afrika-Trip noch nicht mal zwei Jahre alt war: Schon bald nach ihrer Rückkehr kehrte die afrikaverrückte Familie dem Sommer in Deutschland den Rücken und fuhr nach Mosambik, wo sie unter anderem tief im Busch den Stamm der Shangaan (auch: Tsonga) besuchten. Ob wir davon wohl auch bald lesen werden?

 

 

Die Autorin: Madleen Nothnagel wurde 1984 in Wismar an der Ostsee geboren. Wenn sie nicht gerade ihrem willensstarken Söhnchen Nanook hinterherläuft oder im Geländewagen über staubige Pisten durch Afrika brettert, arbeitet die gelernte Bankkauffrau und studierte Sozialverwaltungswirtin an der Hochschule Wismar.

Dass Madleen gern schreibt, wird beim Lesen eindrücklich deutlich: In ihrem Bericht vermischen sich Reisetagebuch-Einträge, fantasievolle und witzige Beschreibungen von Alltagsgeschehnissen und innere Gedanken zum Elternsein, zum Leben und dem ganzen Rest und ergeben insgesamt eine angenehme Lektüre.

Ihr erstes Buch ist im Windsor-Verlag erschienen. Im Gegensatz zu vielen anderen Reisetagebüchern ist es nicht nur in einem angenehm frischen Stil geschrieben, sondern auch behutsam redigiert und in übersichtlichem Layout gestaltet. Einige Fotos von Nanook und seinen Eltern illustrieren den Bericht, auch wenn sie leider nur schwarz-weiß sind.

Was uns Afrika-Laien fehlt, sind detaillierte Karten, die beim Lesen deutlich machen, wo sich die kleine Familie gerade befindet bzw. welche Wegstrecken zurückzulegen sind – und die scheinen nicht zu knapp zu sein! So bleibt nur die vage Andeutung der Übersichtskarte am Buchanfang – oder der Griff zu Google Maps. „Ein Eisbär in Afrika“ ist Lesestoff zur Unterhaltung; wer nach detaillierten Informationen über das Land, über das Reisen mit Kind oder zu Unterkünften und Routenvorschlägen sucht, der greift besser nach einem anderen Buch.

Eine Frage müssen sich Madleen und Peter noch von uns gefallen lassen: Warum, um Himmels willen, habt ihr euer „Löwensöhnchen“ nach einem Eisbären benannt, wenn euer Herz doch so offensichtlich für Afrika schlägt?

 

„Ein Eisbär in Afrika“

Erhältlich als gedruckte Ausgabe (ISBN: 978-1-627840-51-4) für 12,99 Euro vom Windsor Verlag.

188 Seiten, broschiert, mit Schwarzweiß-Fotos


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