ReiseberichtNeuseeland mit Kindern

Wir wollten weg, und zwar so richtig lange. Ein letztes Mal, bevor unsere Tochter zur Schule kommt und wir unsere Urlaubsträume in Ferienpläne quetschen müssen. Das Ziel war schnell klar, wir träumten ja seit unserer letzten Reise ans andere Ende der Welt davon: einmal mit den Kindern Neuseeland entdecken. In Ruhe und ohne Stress. Denn was Kinder und Eltern im Urlaub wirklich brauchen, sind Zeit – und Platz. Beides hat Neuseeland im Überfluss zu bieten.

von Jenny


Familie Menzel © Weltwunderer

2 Monate miit dem Campervan durch Neuseeland: Jenny, Alex, Line (6) und Leo (2) haben sich den Traum erfüllt.

© Weltwunderer

Reisebericht verfasst von

Jenny
am 08.07.2011

Informationen zur Reise

Reiseziel: Neuseeland
Urlaubsort: Neuseeland
Reisestart: Januar 2011
Reisedauer: 56 Tage
Teilnehmer: 2 Erwachsene, 1 Kleinkind, 1 großes Kind

Alle Ersparnisse wurden abgehoben, die Katze an Freunde verliehen und die Wohnung untervermietet – so kratzten wir Zeit und Geld für acht Wochen Ferien am Stück zusammen. Kurz nach dem Jahreswechsel, im tiefsten Winter, flogen wir ab, im (Über-)Gepäck einen Buggy, die Fotoausrüstung, drei große Taschen und drei kleine Rucksäcke, einige Ängste und viele Erwartungen. Für circa 1200 Euro pro Person ging es mit der Lufthansa von München nach Tokio und von dort weiter mit Air New Zealand nach Christchurch. Jeweils 12 Stunden dauerte ein Flug. Im Nachhinein war es gar nicht so schlimm: Wir nutzten die Nacht zum Fliegen und schliefen tatsächlich ganz gut, in Japan legten wir einen ganzen Tag Pause ein, der zum Laufen, Toben und Sushi-Essen genutzt wurde. Wir kamen erstaunlich entspannt in Neuseeland an.

Mama, warum lächeln uns die fremden Leute alle so an?

Und mussten uns komplett umstellen – nicht nur wegen der 12 Stunden Zeitunterschied und der frappierend freundlichen Menschen („Mama, warum lächeln uns die fremden Leute alle so an?“). Von Dezember bis Februar ist auf der Südhalbkugel Hochsommer. Das stark vom Meer beeinflusste Klima ist mild und feucht, auf der Südinsel wird das Wetter mit der Nähe zur Antarktis aber gern mal unfreundlich. Auch im Sommer war es hier sehr wechselhaft mit Regen und Sturm, während wir ab dem Abel Tasman Nationalpark fast durchgängig in subtropischer Hitze geschwitzt haben. Weil die Strände und Zeltplätze auf der Nordinsel brechend voll (und teuer!) sein können, bis Mitte Januar endlich die Schule für die Kiwi-Kinder beginnt, starteten wir im kühleren Süden, wo generell weniger los ist und wir uns langsam an die starke UV-Strahlung gewöhnen konnten. Sonnenhut, Eincremen und UV-Schutzkleidung waren immer Pflicht!

[box pos=li breite=250]

Die Reiseroute

Deutschland – Tokyo – Christchurch – Banks-Halbinsel – Oamaru – Moeraki – Dunedin/Otago-Halbinsel – Catlins/Curio Bay – Te Anau/Milford Sound – Queenstown – Glenorchy – Wanaka – Aoraki/Mount Cook – Geraldine – Hanmer Springs – Marahau/Abel Tasman Nationalpark – Kennepuru Sound/Marlborough Sounds – Picton – Wellington – Wanganui – Ohakune/Tongariro Nationalpark – Lake Taupo – Matamata/Hobbiton – Rotorua – Mount Maunganui/Bay of Plenty –Coromandel-Halbinsel – Pakiri/Hibiskus-Küste – Tawharanui-Halbinsel – Muriwai – Auckland – Tokyo – Deutschland

Von Christchurch aus, das noch deutlich vom starken September-Beben gezeichnet war (und dessen furchtbare Zerstörung im Februar wir zum Glück auf der Nordinsel „verpassten“) fuhren wir in unserem Wohnmobil zunächst nach Süden – auf der linken Straßenseite natürlich. Den Campervan, einen viersitzigen Toyota Voyager von Britz, nahmen wir wie ein Schneckenhaus überallhin mit. Das war nicht nur praktisch, weil wir spontan anhalten und bleiben konnten und das tägliche Aus- und Einpacken wegfiel. Es gab den Kindern auch das wichtige Heimatgefühl, inmitten der vielen neuen Erlebnisse eine feste Basis zu haben. „Zu Hause“ war das Wohnmobil und die täglichen Routinen wie Bettbauen, Kochen und an der „Dump Station“ das Abwasser ablassen gaben die Tagesstruktur vor.

Auf der wilden Otago-Halbinsel trotzten wir dem antarktischen Sturm und zählten Schafe und Robben, bevor der südlichste Punkt Neuseelands in den abgelegenen Catlins erreicht war. Hier wären wir beinahe für immer geblieben – in der Curio Bay am Ende der Welt, wo fast handzahme Pinguine über Klippen aus versteinerten, prähistorischen Bäumen klettern und sich Hectors Dolphins, die kleinsten Delfine der Welt, Seite an Seite mit riesigen Seelöwen tummeln. Wenn das Meer nicht viel zu kalt zum Baden gewesen wäre (jedenfalls für uns Memmen-Europäer) und die Fische unsere Angel nicht mit Verachtung gestraft hätten, und nicht der Rest von Neuseeland gewartet hätte, …

Auf Kapitän Cooks Spuren im Milford Sound © Weltwunderer

Auf Kapitän Cooks Spuren im Milford Sound

© Weltwunderer

Dann hätten wir den absolut unglaublichen Milford Sound nicht gesehen, wo die schwarz glänzenden Gipfel des Fjordland-Nationalparks, von unzähligen Wasserfällen überspült und mit wild wucherndem Bergregenwald in unzähligen Grünschattierungen bewachsen, steil in die Höhe ragen. An jeder Kurve eröffnete sich ein neues, atemberaubendes Panorama, das unsere Kinnladen nach unten klappen ließ. Und auch die beeindruckenden Southern Lakes bei Queenstown und Wanaka hätten wir verpasst – wo wir in den Bergen am abgeschiedenen Lake Moke eine ganz neue Bedeutung von Stille erlebten, den gewaltigen Sternenhimmel samt Milchstraße und ISS-Raumstation bewunderten, im Arrow River Gold fanden und ehrfürchtig vor den Originaldrehorten der Herr-der-Ringe-Filme standen (ja, wir sind Fans!).

Wir könnten heute auch nicht stolz auf die Beharrlichkeit und das Durchhaltevermögen unserer Kinder sein, die (fast) ohne Klagen den stundenlangen, schweißtreibenden, steilen Aufstieg zum Rob-Roy-Gletscher im Mount Aspiring Nationalpark bewältigten. Der erhabene Anblick eines gewaltigen Gletschers im gleißenden Sonnenschein, durchzogen von gewaltigen Wasserfällen, die aus schwindelerregender Höhe senkrecht nach unten donnern – das fanden wir Eltern toll. Der neugierige Kea an unserem Rastplatz, die knorrigen Baumriesen im Bergregenwald, auf denen man herumklettern konnte und die gefährlich schwankende Hängebrücke hoch über dem wilden Fluss waren die Abenteuer-Belohnung für die Kids.

Hoch hinauf zum Rob Roy Gletscher © Weltwunderer

Hoch hinauf zum Rob Roy Gletscher

© Weltwunderer

Noch besser als die Vielfalt der atemberaubenden Landschaften in Neuseeland ist ihre gute Lage – alles ist binnen weniger Stunden erreichbar. Lange Fahrten werden kaum nötig und die bekannte und gefürchtete „Wann sind wir da?“-Frage kann gar nicht erst aufkommen. Begeistert waren wir von der Kinderfreundlichkeit; ein Trampolin zum Austoben und Enten zum Füttern gehörten hier zur Campingplatz-Mindestausstattung, niemand meckerte über lärmende Kinder. Unser Geheimtipp: der „Farmyard Holiday Park“ in Geraldine südlich von Christchurch. Nach dem morgendlichen Eselreiten und Quadbike-Fahren können sich die Kinder durch einen Zoo von Haustieren (darunter auch Kängurus und Ratty, ein behäbiges Opossum) streicheln und füttern, dann den wirklich riesigen Spielplatz erkunden und zum Abschluss eines unvergesslichen Tages in den Swimming Pool hüpfen. Noch glücklicher waren unsere Kinder nur im „Smiths Holiday Park“ in Linkwater bei Picton, wo sie eine Schatzkarte bekamen, die zu einem versteckten Wasserfall führte. Beim grandiosen Finale unserer gruseligen Nachtwanderung durch den Regenwald tat sich im Stockfinsteren plötzlich ein zweiter Sternenhimmel auf – rings um uns herum leuchteten die neuseeländischen „Glowworms“ an den Wänden des Tals.

Neben vielen neuen Tieren, die sie sonst nur aus dem Zoo kennen, haben unsere Kinder in Neuseeland noch einiges mehr gelernt: wie man mit Steinen ditschert, eine Handangel auswirft, einen Bogen baut, auf einem Pferd querfeldein reitet … Informationen zur Natur- und Erdgeschichte und zu den Maori, der Urbevölkerung Neuseelands, fanden wir zuhauf in den tollen und kostenlosen Museen überall im Land. Dass die Erde rund ist und verschiedene Zeitzonen hat, dass es eine Plattentektonik gibt und die Erdkruste nicht fest ist, erlebten wir hautnah. Grundlegende Gesetze der Optik lehrte uns schließlich die „Puzzling World“ in Wanaka: Mittels optischer Täuschungen und anderen Tricks zauberten wir uns dort größer und kleiner, rutschten bergauf und bezwangen gemeinsam ein fieses 3D-Labyrinth.

Schlechtes Wetter gute Kleidung am Lake Wakatipu © Weltwunderer

Schlechtes Wetter gute Kleidung am Lake Wakatipu

© Weltwunderer

Den unglaublichsten Spielplatz aller Zeiten (und es gibt in Neuseeland eine Menge!) haben wir in Wanganui auf der Nordinsel entdeckt. „Kowhai Park“ ist ein riesiger Stadtpark voll mit fantasievollen Spielgeräten für wirklich jede Altersgruppe (wir haben getestet!) und darüber hinaus kostenlosen Barbecue-Grills, Trinkwasser- und Sonnencremespendern. Das stellte selbst den tollen Spielplatz im Botanischen Garten von Christchurch in den Schatten, und den Wasserspielplatz in Picton, und … Über der unglaublichen Zahl an Spielplätzen und öffentlichen Parks – die überdies allesamt mit sauberen Toiletten, Picknickbänken und Barbecue-Grills ausgestattet sind – hätten wir mitunter fast vergessen, dass es in Neuseeland ja auch noch eine Menge Natur zum Entdecken und Drin-Spielen gibt. Und deshalb waren wir ja eigentlich hergekommen. Die Weltwunderkinder waren einverstanden: Am Seeufer Grassuppe kochen, Muscheln sortieren und „Captain Cook entdeckt …“ waren ihre Lieblingsspiele.

Nach einem Abstecher zum Mount Cook, wo unser Wohnmobil nachts bedenklich unter den Sturmböen schwankte und wir die Eisberge im See des Tasman-Gletschers anfassten (kalt!), ging es nach Norden: zu den traumhaften Stränden des Abel Tasman Nationalparks, wo wir uns vom Aquataxi an einsame Buchten bringen ließen, im Südsee-Feeling schwelgten und den Delfinen beim Spielen zusahen. Das Essen musste nur gepflückt werden – riesige Green Lipped Mussels von den Klippen am Meer und saftige Feigen vom Baum. Der Abschied von der menschenleeren, wilden und geheimnisvollen Südinsel fiel wirklich schwer, aber die andere Hälfte des Landes hatte auch noch einiges zu bieten. Mit der Interislander-Fähre setzten wir nach vier Wochen schweren Herzens auf die Nordinsel über.

Weitblick vom Mount Ruapehu © Weltwunderer

Weitblick vom Mount Ruapehu

© Weltwunderer

In Neuseelands Hauptstadt Wellington mit mehrspurigen Straßen und Hochhäusern erlitten wir erwartungsgemäß erst einmal einen Großstadt-Schock, erholten uns in der freundlichen Stadt am Meer aber schnell. Nicht zuletzt hatte uns das bei Herr-der-Ringe-Fans berühmte Weta-Filmstudio hergelockt, wo wir „echte“ Orks, Gollum und den Dunklen Herrscher höchstselbst bewunderten. Im siebten Himmel schwebten wir diesbezüglich einige Tage später im Herzen der Nordinsel: In Matamata durften wir das fertig eingerichtete Filmset des „Hobbit“ betreten und Bilbos Hobbithöhle im Auenland bestaunen. Klar, dass „Der kleine Hobbit“ unsere Gutenacht-Lektüre war.

Der finstere Mount Ngauruhoe im für die Maori heiligen Tongariro Nationalpark beeindruckt auch Reisende, die in seinem Gipfel nicht den Mount Doom erkennen. An den Hängen des Mount Ruapehu einmal im Winter Ski zu fahren, diesen Traum erfüllen wir uns hoffentlich irgendwann. In der Sommerhitze erkundeten wir hier verwunschene Wasserfälle im dichten Bergregenwald, kraxelten über himmelhohe Felswände und lauschten nachts den Rufen der Kiwis. Und hatten dabei immer ein wenig Angst, dass einer der noch aktiven Vulkane hochgeht …

Heiße Sache im Hidden Valley bei Rotorua © Weltwunderer

Heiße Sache im Hidden Valley bei Rotorua

© Weltwunderer

In den schwefelstinkenden, blubbernden und schlammspritzenden Thermalgebieten um Rotorua wurden wir eindrucksvoll von der Winzigkeit des Menschen vor der Macht von Mutter Natur überzeugt. Hier ist jeder Schritt abseits vom Weg eine schlechte Idee. Sogar die Kinder haben das verstanden; wer will schon in einen bodenlosen, stinkenden und zischenden Schlammpool fallen? Baden in einem von Thermalquellen gespeisten warmen Pool ist hingegen ein angenehmes Vergnügen; die Maori nutzen die heißen Schwefelquellen seit Jahrhunderten zum … Kochen.

Faule Wochen voller Badespaß verbrachten wir mit Wellenreiten, Schnorcheln und Fish-and-Chips-Essen an den muschelübersäten Stränden der Bay of Plenty, in den abgeschiedenen kleinen Buchten der Coromandel-Halbinsel und an der wilden Hibiskus-Küste im Nordosten von Auckland. An den einsamen schwarzen Stränden von Muriwai und Piha lernten Tochter und Vater surfen und wir beschlossen ein zweites Mal, einfach hierzubleiben. Schweren Herzens ging es schließlich doch zurück nach Auckland, wo das Flugzeug nach Hause wartete.

Würden wir uns das noch einmal antun? Ganz ehrlich: Na klar!

Was bleibt von zwei Monaten mit täglich neuen Erlebnissen, zusammengequetscht auf sechs Quadratmetern? Ganz ehrlich: Unsere Reise war verdammt teuer und ab und zu war sie auch verdammt anstrengend. Würden wir uns das noch einmal antun? Ganz ehrlich: Na klar! Überraschenderweise hat man auch am anderen Ende der Welt, ohne Kindergarten und Kundenanrufe, immer noch mit den Nervigkeiten des Alltags zu kämpfen. Und so eine Reise reist sich ja nicht von selbst, für das Organisieren, Planen und Umplanen haben wir viel Kraft gebraucht. Aber bereut haben wir unsere Entscheidung nie, nicht ein einziges Mal wollten wir nach Hause.

Endless Surfing in Muriwai © Weltwunderer

Endless Surfing in Muriwai

© Weltwunderer

Wir haben Neuseeland entdeckt, klar. Wir haben aber uns ganz neu entdeckt: unsere Fähigkeiten und Grenzen. Unsere Kinder. Uns als Familie. Die Welt ist so groß, faszinierend und vielfältig, da wäre es doch eine Schande, nicht so viel wie möglich von ihr zu entdecken. Kinder sind dabei kein Hindernis. Das Reisen mit ihnen ist anders und es ist eine Herausforderung; aber das ist ja auch das ganze Leben mit ihnen. Wir würden jederzeit wieder auf Reisen gehen – und werden das hoffentlich auch bald wieder tun!


Ist dieser Artikel lesenswert?

Bitte bewerte diesen Artikel: Bewerte diesen Artikel mit einem SternBewerte diesen Artikel mit 2 SternenBewerte diesen Artikel mit 3 SternenBewerte diesen Artikel mit 4 SternenBewerte diesen Artikel mit 5 Sternen
Bewertung: 4,37 von 5 (bei 67 Stimmen)

Das könnte dich auch interessieren

Verwandte Artikel auf anderen Internetseiten (Trackbacks)

Aktuelle Umfrage

Euer liebstes Familien-Urlaubsziel: Meer oder Berge?

Wird geladen ... Wird geladen ...

 

Weitere Artikel, die wir empfehlen

Kommentar als Gast schreibenKommentare (16)

Anmelden | RegistrierenKommentar als Gast schreiben

Tipp: Wenn du Dein Bild in den Kommentaren sehen möchtest, nutze bitte den kostenlosen Service von Gravatar.com.

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

sechs − 2 =

Dein Name und deine Email-Adresse sind erforderlich. Deine Email-Adresse wird nicht angezeigt.