Urlaub ohne Kinder – ein Internet-Angebot spaltet Deutschland

Kinderfreundliche Hotels, Baby-Hotels, Family Clubs – der Trend in Deutschlands Hotelbranche geht eindeutig zur Familie. Die Website „Urlaub ohne Kinder“ ist das Gegenteil: ein Buchungsportal für kinderfreie Hotels. Ist das kinderfeindlich? Oder verständlich?

von KidsAway-Redaktion


Kinder sind hier nicht erwünscht - schlimm? © style-o-mat - Fotolia.com

Kinder sind hier nicht erwünscht - schlimm?

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Es begann ganz harmlos: René Weiß und seine Frau wollten ganz entspannt Urlaub machen – ohne kreischende Kinder am Pool, Getrappel im Wellness-Bereich und Mäkeln im Restaurant.

Weil die Suche nach einem kinderfreien Hotel so mühsam war, erstellte René, der als Informatiker arbeitet, so ein Verzeichnis kurzerhand selbst – und wurde umgehend wütend als Kinderfeind angegriffen. KidsAway hat nachgefragt:

FrageHerr Weiß, hassen Sie Kinder?

René Weiß: Na klar! Wie alle Menschen, die im Urlaub einfach ihre Ruhe haben wollen 🙂
Aber im Ernst: natürlich nicht. Die Beschimpfungen und die emotional aufgeheizte Debatte zu kinderfreien Hotels gibt es nur in Deutschland, in anderen Ländern schert sich kein Mensch um Hotels für spezielle Zielgruppen. Gerade die Amerikaner verstehen diese Frage überhaupt nicht. Mindestens zwei Drittel der Gäste von kinderfreien Hotels wie „Sandals“ haben selbst Kinder und nehmen sich einfach im Urlaub eine Auszeit.

FrageUnd was entgegnen Sie den Anschuldigungen, Sie würden Kinder und Familien diskriminieren?

Zunächst einmal: Ich habe wirklich nichts gegen Kinder. Aber sie machen nun mal Lärm. Dem stehen Menschen gegenüber, die ihre Ruhe wollen; auch das ist legitim. Beide Interessen zufriedenstellend unter einem Hoteldach zu vereinen, scheint mir unmöglich. Warum soll man nicht Hotels speziell für Urlaube ohne Kinder konzipieren? Ich fühle mich ja als kinderloser Urlauber durch explizit „kinderfreundliche Hotels“ auch nicht diskriminiert – ich buche dort einfach nicht, wenn ich meine Ruhe haben will.

FrageWürde es nicht ausreichen, wenn die Hoteliers ihre Gäste zu mehr Rücksichtnahme auffordern?

Nein, Rücksichtnahme reicht da ganz offensichtlich nicht aus, wie die vielen hitzigen Kommentare in Internet-Foren zeigen. Mal abgesehen von den Schauergeschichten von endlos brüllenden Babys, geplatzten Windeln im Pool und Wickeln auf dem Restauranttisch: Viele Eltern sind doch froh, wenn sie sich mal nicht um den Nachwuchs kümmern müssen und der in einer anderen Ecke des Hotels spielt.

Ich war auch mal ein Kind, aber ich bin damals nicht kreischend um die Restauranttische gerannt. Von gegenseitiger Rücksichtnahme sehe ich da oft wenig. Und in meinem Jahresurlaub möchte ich mich über dieses Thema einfach nicht ärgern müssen!

Gegenseitige Rücksichtnahme bedeutet für mich: Ich toleriere Kinder und ihre speziellen Ausdrucksformen gern, wenn Familien im Gegenzug tolerieren, dass ich und viele andere auch mal ohne Kinder Urlaub machen wollen.

FrageWie sind Sie auf die Idee zu diesem Angebot gekommen – gab es da ein auslösendes Ereignis?

2004 wollten wir in der Karibik Urlaub machen, da gab es bei den deutschen Reiseveranstaltern noch keinerlei kinderfreie Angebote. Ein Freund machte uns auf „Sandals“ aufmerksam, eine amerikanische Hotelkette.

Ich hatte die Idee, eine Website aufzusetzen, die solche Angebote listet. Als IT-Mensch habe ich mit der Reisebranche eigentlich nichts zu tun, aber ich wollte eben eine schnelle und unkomplizierte Übersicht erstellen, damit sich andere Menschen nicht wie wir ihre Reisen mühsam in Einzelbausteinen zusammensuchen müssen. Vier Jahre später gingen wir online.

Die Zugriffszahlen auf unsere Website und die vielen Meldungen auf unserer Facebook-Seite zeigen, dass ein großes Interesse an kinderfreien Hotels besteht …

FrageWas meinen Sie, warum suchen Menschen nach kinderfreien Hotels?

Die meisten kinderfreien Angebote auf meiner Website liegen ja im oberen Preisniveau. Und wenn ich für einen Urlaub schon eine Menge Geld bezahle, dann möchte ich ihn so verbringen, wie ich will. Wenn ich am Strand oder am Pool entspannen oder lesen will, dann sollte mir das möglich sein. Wenn ich einmal im Jahr ohne meine Kinder unterwegs bin, dann will ich mich vielleicht nicht unbedingt mit anderen Kindern auseinandersetzen müssen.

Denken Sie daran: Wir sprechen hier bei vielen gestressten Berufstätigen von den einzigen zwei Wochen im Jahr, in denen das überhaupt geht…

FrageDas heißt, die Hotels auf Ihrer Seite garantieren absolute Ruhe?

Auf keinen Fall! Sie garantieren nur, dass keine Kinder dort sein werden. In den meisten Fällen geht das wohl mit einem reduzierten Lärmpegel einher, aber wir verzeichnen ja auch Party-Hotels, wo es sicherlich noch lauter ist. Und auch in einem Hotel für Paare können Junggesellen oder -gesellinnen bei ihren Abschieden durchaus laut werden.

Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass einige Hotels auf Inseln wie den Malediven oder auch Safari-Lodges rein aus Sicherheitsgründen keine Kinder aufnehmen!

FrageWo werden denn die meisten kinderfreien Hotels angeboten?

Man stelle sich vor: nicht in Deutschland, wie es die heiße Debatte vermuten lassen würde. Wir verzeichnen hier gerade einmal neun Angebote! Die meisten Hotels liegen in der Karibik und Mexiko, in Spanien (Balearen) und in Griechenland: alles Regionen, die mit extremer Kinderfreundlichkeit assoziiert werden… und in denen es diese Art von Diskussion gar nicht gibt!

Als wir 2008 als erste Seite im deutschsprachigen Raum begonnen haben, verzeichneten wir gerade einmal 30 Hotels. Heute listen wir 395 kinderfreie Angebote – das ist ein Bruchteil von hunderttausenden Hotels, die es auf der Welt gibt, und sicherlich eine winzige Zahl gegenüber den explizit „kinderfreundlichen“ Angeboten.

FrageUnd wie finden Sie Kandidaten für Ihre Seite?

Das einzige Kriterium ist eine verifizierbare Mindestaltersgrenze von zehn Jahren (das haben wir willkürlich festgelegt, weil wir meinen, dass man sich ab diesem Alter schon recht gut benehmen kann) oder ein Zusatz wie „adults only“. Danach googeln wir, stöbern in Reiseforen und Katalogen, manchmal melden sich Hoteliers direkt bei uns und wir bekommen viele Hinweise über unsere Facebook-Seite – vielen Dank! Wir checken natürlich, ob die Informationen auf der Hotelwebsite mit denen der Reiseveranstalter übereinstimmen, und fragen gegebenenfalls nach.

Gerade in Deutschland ist die Recherche enorm schwierig. Eine Suche mit Stichworten wie „nur für Erwachsene“ funktioniert nicht, die allerwenigsten Hotels sind erst ab 18 buchbar. Deutsche Reiseveranstalter geben nur dezente Hinweise wie „Wir bieten keine gesonderte Kinderbetreuung an“. Scheinbar will man sich nicht dem Vorwurf aussetzen, kinderfeindlich zu sein – aber kinderfrei heißt eben nicht automatisch kinderfeindlich!

FrageSind Sie selbst gerade im Urlaub in einem kinderfreien Hotel?

Ja, ich schreibe dies aus dem „Sandals Whitehouse“ auf Jamaika 🙂

Vielen Dank für das Interview, Herr Weiß – und einen ruhigen Urlaub!

Was meint ihr – sind kinderfreie Hotels etwas ganz normales oder ein Zeichen für eine kinderfeindliche Gesellschaft? Würdet ihr selbst gern einen solchen Urlaub ohne Kinder machen?

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Kommentar als Gast schreibenKommentare (6)

  • Nicole

    Was eine Aufregung um nichts…..Es gibt für alles mittlerweile spezielle Hotels also liegt es doch nahe, das es auch Hotels nur für Erwachsene gibt.
    Und das ist auch gut so.
    Wir sind selbst Eltern und verbringen 1x im Jahr eine Woche Urlaub alleine – und den wollen wir dann auch ohne andere Kinder geniessen.
    Es wird ja keiner gezwungen ein solches Angebot zu nutzen. Jeder „Gegner“ kann doch jederzeit in ein kinderreiches Hotel gehen, wenn er gerne Trubel und Rummel und Kindergeschrei hat.
    Wir haben 358 Tage Kinder im Jahr um uns, das reicht vollkommen 🙂
    Und jetzt der Knaller – Wenn wir mit unserem Sohne gehen, dann buchen wir spezielle Kinderhotels…..haha, lustig gell.
    Absolut ambivalent und doch möglich und das ist TOLL TOLL TOLL

    Antworten | 30. März 2015
  • Christina

    Natürlich heißt das nicht, dass wir alle kinderfeindlich werden. Ich arbeite leidenschaftlich gerne als Grundschullehrerin. Jeden Tag und mit Begeisterung. Ich habe einen dreijährige Sohn, den ich von Herzen liebe. Aber einmal im Jahr will ich meine Ruhe haben, für eine Woche und das finde ich mehr als legitim. Es gibt ja auch Hundehotels, FKK Angebote oder Swinger etablissements. Die Diskriminieren mit ihrem speziellen Angebot ja auch niemanden!

    Antworten | 22. November 2014
  • dani

    Meine Eltern sind die besten auf der Welt. Trotzdem erzählen sie immer mit Leuchten in den Augen von dem Sommer, als sie mich und meine Schwester bei Oma abgaben und ihren ganz eigenen romantischen zweiten Frühling erlebten.

    Ich werde dies, wenn meine beiden etwas älter sind, ebenso machen und sehe keine Diskriminierung darin, dass ich meinen Romantikurlaub nicht gerne zwischen Kinderanimation in familienfreundlichen Hotels verbringe. Das macht so einfach keinen Sinn. Wer hier Diskriminerung schreit, urteilt m.E. voreilig und ungerecht.

    Antworten | 8. Juli 2013
  • kleemann marion

    Ich sehe das Thema aus einer anderen Sicht:
    Die jungen Eltern wollen im Urlaub gerne die Verantwortung abgeben und überlassen gerne die Kinder sich selber,sind von ihnen selbst genervt und wollen sich erholen,und diese Kinder kennen dann keine Grenzen und tanzen anderen Menschen auf der Nase herum(meistens
    fern der Eltern).
    Die zweite Art von Eltern:sie brauchen selbst Aufmerksamkeit, definieren sich über die Kinder,da werden Männer zu Hampelmännern und „überangagieren“ sich, machen lautstarkes Entertaiment und glauben die Zeit nachholen zu müssen,da sie sich das ganze Jahr über auf ein Minimum mit den Kindern beschäftigen.Und die Mütter beschäftigen sich mehr mit dem Handy, und wenn die Kids im Restaurant die Gänge hin und her rennen,sind sie stolz und merken nicht wie nervig es für die Gäste ist.
    Da wundert es mich nicht,wenn ,ohne Kinderfeindlich zu sein,es bald Hotels-Restaurants & Flüge bald KINDERFREI sein werden.
    Das es anders geht erlebe ich in den 5 Sterne Hotels, wo die Eltern sich das ganze Jahr über um eine „Gesellschafttaugliche
    Erziehung „kümmern.Um so einfacher haben es die Kinder und sind in der Gesellschaft gerne gesehen und diese Debatte fände nicht statt.-Denn es sollte nicht vergessen werden ein Kind ist auch Verantwortung!

    Antworten | 1. April 2013
  • Ein deutliches Zeichen von kinderfeindlichkeit in unserer Gesellschaft. Die Menschen sind es nicht gewohnt, Kinder zu sehen und zu hören und wollen es auch nicht.

    Antworten | 27. November 2012
    • Na ja – Herr Weiß betont aber, dass auch viele Eltern solche Hotels nutzen, um eben auch mal „kinderfrei“ genießen zu können – würdest du dann sagen, diese Eltern sind kinderfeindlich? Man unterstellt der Gesellschaft ja auch keine Hundefeindlichkeit, nur weil Hunde nicht mit auf Spielplätze und ins Freibad dürfen…

      Antworten | 28. November 2012

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