Wandern mit BabyMit Kraxe oder besser nicht?

Kraxen und Tragerucksäcke erfreuen sich bei Eltern großer Beliebtheit. Sobald es auf die erste Wandertour zu Dritt gehen soll, liebäugeln viele Eltern mit einem praktischen Tragerucksack fürs Baby und Gepäck. Doch ein kritischer Blick ist angebracht.

von KidsAway-Redaktion


von Dorothea Burkhard

Marschpause auf dem Monte Zucchero: Baby schläft in Kraxe   © Dorothea Burkhard

Marschpause auf dem Monte Zucchero: Baby schläft in Kraxe

© Dorothea Burkhard

Oft werde ich nach Tragerucksäcken (auch Kraxengestelle genannt) gefragt. Wenn das Kind etwa sieben Monate alt ist, möchte man doch gern mal wieder wandern gehen, und da gehört es sich doch, einen solchen Rucksack zu haben, in dem Kind und Gepäck transportiert werden. Wenn schon so viele Eltern einen solchen Rucksack haben, kann es ja nichts Schlechtes sein,oder?

Nun, die Dinger sind beliebt, weil sie vermeintlich einfach in der Handhabung sind, und weil man noch zusätzlichen Platz für Windeln und Proviant hat, und eben weil man sie so oft sieht. Doch lohnt es sich sehr, hier sehr kritisch hinzuschauen!

Bei jeder Trage, die ich zum Testen bekomme, halte ich mir die anatomischen Grundlagen eines Babies und auch der tragenden Personen vor Augen.

Habt Ihr diese Grundlagen auch im Hinterkopf, wird Euch sehr schnell klar werden, dass ein Baby in einem solchen Rucksack nicht anatomisch gut sitzen kann.

Tragerucksack- praktisch, aber anatomisch fürs Baby nicht zu empfehlen © Dorothea Burkhard

Tragerucksack- praktisch, aber anatomisch fürs Baby nicht zu empfehlen

© Dorothea Burkhard

Auf nebenstehender Abbildung könnt Ihr an einem elf Monate alten Mädchen sehen, dass von einer sogenannten Anhock-Spreizhaltung nicht die Rede sein kann. Die Beinchen hängen eher nach unten, anstatt dass sie leicht schräg nach oben zeigen würden. Das Kind ist sehr aufrecht und kann sich nicht rund machen. Auch der obere Rücken und der Kopf sind nicht gestützt. Da sämtliche Riemen und Gurte fest zugezogen und gut angepasst wurden, schlackert das Baby immerhin nicht in der Trage herum. Dabei wäre gerade auf einer langen Wanderung wichtig, dass das Kind eine gute Haltung einnehmen könnte!

Jedoch nicht nur in anatomischer Hinsicht sind solche Tragen sehr kritisch zu betrachten. Das Bild wurde im Winter aufgenommen. Das Baby musste regelrecht eingemümmelt werden. Das Baby bewegt sich nicht, es ist quasi festgezurrt. Bewegen tut sich der Papa. Stellt Euch vor, wie lange Ihr es warm eingemümmelt auf einem Sessellift aushalten würdet … Die Kälte stellt eine reale Gefahr dar. Würde das Baby dagegen im Tragetuch oder Mei Tai am Körper des Papas getragen, der eine Tragejacke anhat, könnte das Kind von der Wärme des Papas profitieren. Die Gefahr durch Kälte wäre drastisch minimiert.

Auch im Sommer sind diese Tragen nicht das Gelbe vom Ei. Auch da ist es sinnvoll, das Baby so eng wie möglich am Körper zu tragen. Als Eltern üben wir nämlich eine Art Thermostat-Funktion aus. Wir sind in der Lage, unsere Kinder zu kühlen oder zu wärmen. Daher werden die Shirts zwischen Baby und Papa oder Mama auch nass, das ist Verdunstungskälte. Habe ich mein Kind nahe am Körper, spüre ich auch, wie es ihm geht. Ist ihm warm, friert es? Ich fühle mein Kind und seine Bedürfnisse, was gerade auf Wanderungen ein Riesenvorteil sein kann.

Ist es hingegen im Tragerucksack, ist es weit entfernt von mir, und ich spüre es nicht. Es kann sich nur durch Schreien äußern. Ein Kind, das unterkühlt ist, schreit aber kaum mehr, und ebenso ein durch Hitze und Durst ermattetes Baby.

 

Ungünstige Lastenverteilung beim Tragen mit Tragerucksack

Schauen wir uns die Sache noch von den tragenden Personen her an. Ratzfatz hat man diese Tragen aufgebuckelt. Im ersten Moment ist es sicher sogar bequem. Aber mit zunehmender Dauer der Wanderung wird es immer schwerer und schwerer. – Warum eigentlich? Man hat doch einen Hüftgurt, der die Last ableitet, und die Riemen und Rückenlänge zuvor gut eingestellt …

Nun, das liegt an der sehr ungünstigen Verteilung der lieben Last. Im Tragerucksack befindet sie sich sehr weit hinten-oben. Ist das Gepäckfach auch noch vollgeladen, wird es noch ungünstiger. Wird das Baby in einem Tragetuch oder Mei Tai auf dem Rücken getragen, ist es näher am eigenen Schwerpunkt dran. Damit wird die tragende Person auch wiederum beweglicher und hält länger durch. Außerdem ist einem beispielsweise während der Reise im Bus oder Zug das Gestell nicht im Weg, man eckt mit einer alternativen Trage nicht dauernd irgendwo an.

 

Tragerucksack ja oder nein?

Nun will man aber doch wandern gehen – und nun, wie soll das gehen, wenn diese Tragerucksäcke so unvorteilhaft sind? Die Erfahrung zeigt, dass es für die allermeisten Wanderungen völlig ausreicht, wenn ein Elternteil das Kind im Tragetuch, Mei Tai und ab Sitzalter in einer Fertigtragehilfe (Ergo Baby Carrier, Manduca) trägt. Je nach Kind ist eine kleine Umhängetasche oder Hüfttasche sinnvoll, in der man eine kleine Wasserflasche oder Reiswaffeln gleich griffbereit hat. Das andere Elternteil trägt einen Rucksack mit Proviant, Ersatzkleidern, Windeln und Wanderapotheke. So klappen auch lange Wanderungen für alle Beteiligten unkompliziert und einfach.

Auch auf Reisen ist ein Tragerucksack wegen des bereits erwähnten „im Wege sein“ nur sehr beschränkt einsetzbar. Hier haben sich leichte Tragehilfen in Kombination mit Trolley oder  Hackenporsche bewährt.

 

Wann lohnt sich die Anschaffung eines Tragerucksacks?

Die Anschaffung eines Tragerucksackes lohnt sich also bloß in sehr wenigen Fällen wirklich. Die Familie der Autorin besitzt in den Alpen ein eigenes entlegenes Hüttchen, wo man nur zu Fuß über viele hundert Höhenmeter hingelangen kann. Alles, wirklich alles, muss hingetragen werden. Das heißt, es müssen Kind und viel Gepäck transportiert werden. Oder eine Familie liebt mehrtägige Trekkings. Wenn man da nicht einer Person den ganzen Karsumpel an Klamotten, Windeln (sofern nötig), Mahlzeiten usw. aufbürden will, macht es Sinn, eine solche Trage dabeizuhaben.

Nun sind viele Leser sicher erst mal verblüfft, da hier eine gängige Meinung so gegen den Strich gebürstet wird. Vielleicht haben manche Eltern auch positive Erfahrungen mit Kraxen gemacht und fühlen sich auch wohl damit. Gut so!

Es geht hier in erster Linie darum aufzuzeigen, dass das, was gängig ist, aus diversen Gründen nicht ergonomisch ideal ist, weder für die meisten Eltern noch für Kinder, und dass gerade beim Reisen Ergonomie ein wesentlicher Punkt sein kann.

Wichtig ist, dass Ihr als Reisende gut informiert seid. Informiert sein heißt mündig sein. Mündig sein heißt aber auch, auf sich selber zu hören, und mit jenem System zu tragen, mit dem es einem am wohlsten ist, auch wenn es nicht unbedingt das ergonomischste ist. Aus diesen Gründen erscheint in Kürze ein weiterer Artikel zur Auswahl von Kraxen und worauf es beim Tragen von Kraxen für die tragende Person ankommt.


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