KidsAway Familien-InterviewAuszeit in Neuseeland mit Schulkind
Ein Jahr Weltreise machen - das geht auch mit Schulkind! Vero und ihre Familie nutzen ein Sabbatical, um die Welt zu entdecken. Und Tochter Lina testet, was ihr besser gefällt: Homeschooling auf der Reise oder ein Schulbesuch im Ausland. Ratet mal, was sie lieber mag!
von KidsAway-Redaktion
Vero und ihre Familie als Sand-Silhouetten auf den roten Sanddünen in Mui Ne/Vietnam
© Vero
Sie hatten Glück: Der Arbeitgeber gewährte ein Sabbatical, die Schule gewährte eine Beurlaubung. Im Interview erzählt Vero, warum ihre 10-jährige Tochter auf der Reise trotzdem sehr gern zur Schule ging – viel schöner als das „Homeschooling unterwegs“ fand sie nämlich das Lernen an einer neuseeländischen Schule.
Liebe Vero, du lebst gerade mit deiner Familie in Neuseeland – erzähl doch mal, wie das gekommen ist!
Vero: Für meinen Mann stand eine berufliche Veränderung an. Auch für mich ging ein langes Projekt zum Sommer hin zu Ende und für unsere Tochter stand der Schulwechsel nach der vierten Klasse an.
Eines Abends kam er nach einem Gespräch mit seinem Geschäftsführer nach Hause und berichtete, dass er unseren gemeinsamen Traum eines Sabbaticals angesprochen hatte. Relativ zügig waren die privaten und beruflichen Weichen unsererseits und seitens der Firma gestellt, wofür wir allen Beteiligten sehr dankbar sind.
Wann habt ihr den Entschluss zu dieser Langzeitreise gefasst und wie viel Vorbereitung folgte dann?
Der Wunsch, eine gemeinsame Weltreise zu machen, existiert lustigerweise schon seit unserem allerersten Treffen. Logischerweise waren wir zu diesem Zeitpunkt noch kein Paar. Die Umsetzung kam jetzt überraschend viele Jahre später und nun sind wir zu dritt mit unserer 10-jährigen Tochter Lina unterwegs.
Als wir grünes Licht von der Schule bekamen – der am Ende alles entscheidende offene Punkt –, musste es schnell gehen: Wir hatten exakt drei Wochen vor den großen Sommerferien, dann nochmal vier Wochen nach unserem gebuchten Sommerurlaub, den wir leider nicht mehr stornieren konnten. Also insgesamt sieben Wochen reine Vorbereitungszeit, während wir beide Vollzeit arbeiteten.
Hat alles so geklappt, wie ihr euch das vorgestellt hattet?
Ohne die Großzügigkeit unserer Firma, solch ein spannendes Vorhaben mitzutragen, und die Unterstützung von guten Freunden, Familie und helfenden Nachbarn würde das sicherlich nicht so gut klappen.
Folgt ihr einer festen Reiseroute? Welche Stationen stehen noch auf eurem Plan?
Biologieunterricht in Australien
© Vero
Für dieses Land sind in Summe drei Monate geplant, um Zeit für unsere Freunde zu haben und damit Lina mit ihrer Freundin einen Monat hier zur Schule gehen kann.
Bald geht es aber weiter in Richtung Chile, gefolgt von Argentinien, Costa Rica, Kanada und USA. Von dort geht es dann leider schon wieder nach Europa zurück, damit wir pünktlich zum Schuljahres- und Arbeitsbeginn zu Hause sind.
Speziell die Schulbefreiung stellen sich viele deutsche Eltern als Riesenhürde vor. Wie war das für euch?
Wir vermuten, dass wir die erste weltreisende Familie an unserer ortsansässigen Schule waren. Das war neu für alle Beteiligten. Zuerst wurden wir von der Schule ans Schulamt und dann wieder zurück verwiesen. Mein Mann hat die Gespräche geführt und den Schriftverkehr erledigt.
Wir erläuterten, weshalb wir das Sabbatical machen wollten, welchen Reise- und Zeitplan wir andachten, legten einen Unterrichtsplan (Wochenzeiten) vor, wie wir das Lernen auf der Reise gestalten könnten/sollten, und belegten am Ende die gebuchte Reise. Als das alles zusammen war, bekamen wir die Schulbefreiung.
Wie funktioniert das Lernen auf Reisen bei euch?
Der erste Schultag in Neuseeland: Lina und ihre Freundin
© Vero
Das Vermitteln des Unterrichtsstoffs ohne schulische Struktur gestaltet sich leider nicht ganz ohne Schwierigkeiten. Und es gibt viel Ablenkung.
Auf der anderen Seite gibt es auf einer Weltreise andere lebenswichtige Dinge zu erlernen: Eigenständigkeit, Mut, andere Kulturen und damit einhergehende Arbeits- und Lebensweisen, Beständigkeit, soziales Erleben…
Wie finanziert ihr eure Reise?
Wir haben über viele Jahre gespart und dachten eher, dass wir das Geld für ein Haus zur Seite legen. Dann kam diese einmalige Chance und wir haben sie ergriffen.
Wie sieht euer Reisealltag unterwegs mit Schulkind aus?
Wir versuchen, regelmäßig Mathematik nach Lehrplan zu unterrichten und Lina zum Lesen anzuhalten. Der englischen Sprache muss sie sich in allen Ländern selbst stellen, besonders hier in Neuseeland mit Hilfestellung von uns und dem Tablet.
Biologie, Erdkunde, Technik und Kunst wird stetig im „Vorbeigehen“ gemacht, in Museen, Parks und auf der Straße. Die Welt ist äußerst vielfältig, es gibt immer etwas zu erleben.
Warum habt ihr entschieden, dass eure Tochter in Neuseeland „richtig“ zur Schule geht?
Hierfür gab es mehrere Gründe:
- Lina braucht auf dieser Reise unbedingt Kinder um sich, diese sind oft die besten Unterstützer, und das gibt es beides geballt an einer Schule.
- Um ihr den Einblick in ein Schulwesen in einem anderen Land zu ermöglichen, frei nach dem Motto „Es geht auch anders sehr gut!“
- Und damit das Thema Struktur und Regelmäßigkeit im Kopf bleibt.
(Wie) hat sich durch den Schulbesuch euer Reisealltag verändert?
Das Aufstehen fiel schwer: uns Eltern! Wir verbrachten viel Zeit auf der Farm unserer Freunde, waren während unserer Zeit in den Alltag komplett eingebunden und sind in diesen Wochen nicht gereist. Und wir setzten das „Homeschooling“ aus.
Zur Schule gehen in Neuseeland – wie findet eure Tochter das?
Die Angst besiegen: Lina beim Bungee-Sprung in Neuseeland
© Vero
O-Ton Lina: „Die anderen sind traurig, wenn der Sonntag vorbei ist, ich nicht. Ich freue mich auf morgen, auf die Schule!“
In anderen Ländern können Eltern einfach entscheiden, dass ihr Kind gar nicht beschult wird – also „unschooling“. Wie fändest du das?
Schwierig für mich, da ich das echte „unschooling“ nicht kenne. Der „Erfolg Schule bzw. Lernen“ ist von vielen Faktoren geprägt.
Eines kann ich nur sagen: Es tut verdammt gut, wenn das Kind gern zur Schule geht, Spaß hat und Ehrgeiz entwickelt, obwohl alles neu und dadurch herausfordernder ist. Das war uns im deutschen Schulsystem, wo viel mehr Augenmerk auf das System gelegt wird anstatt auf die Kinder, nicht so oft vergönnt.
Hierzu vielleicht ein Filmtipp, der sich genau mit diesem Thema auseinandersetzt: „Alphabet“.
Wie habt ihr den Schulbesuch in Neuseeland denn organisiert?
Im Vorfeld haben unsere Freunde beim Principle, der Schulleitung, vorgefühlt und ein positives Feedback bekommen. Daraufhin stellten wir uns schriftlich und später persönlich vor. In diesem Gespräch lernte Lina dann schon direkt die Klasse kennen und alle notwendigen Modalitäten wurden geklärt, d. h. Schulbus, Schuluniform, Patenschaften durch andere Kinder und die Dauer des Schulbesuchs.
Wir waren positiv überrascht, wie unbürokratisch dies alles erfolgte. Es war wunderbar.
Was waren bisher eure Highlights auf der Weltreise? Worauf freut ihr euch?
Eindeutig Japan, ein tolles Reiseland für Familien. Unbedingt nochmal! Danach der mutige Bungee-Sprung von Lina hier in Neuseeland, den sie unbedingt machen wollte, und ihr glückliches Gesicht in der Schule.
Am meisten aber freuen wir uns über den Luxus der gemeinsamen Zeit. Solch eine Gelegenheit ist selten und umso kostbarer.
Würdest du das, was ihr gerade macht, anderen Eltern empfehlen? Oder würdet ihr im Nachhinein etwas anders machen?
Fremde Kulturen kennenlernen: Lina in Kyoto
© Vero
Anders machen? Bisher ist alles sehr gut verlaufen und in Anbetracht der Tatsache, dass wir mit so wenig Vorlaufzeit alles hinbekommen haben, passt alles.
Geholfen haben im Vorfeld auch die Listen aus eurem Reisehandbuch für Familien. Vielen Dank hierfür!
Wir wünschen euch noch ein wunderschönes restliches Reisejahr und drücken Lina die Daumen, dass sie ihre neuseeländische Schule vielleicht doch noch einmal wiedersieht!