Außergewöhnliche Familien auf ReisenKidsAway Familien-InterviewEinmal um die Welt – für wenig Geld
Familie Blanke hat ein ehrgeiziges Projekt umgesetzt: möglichst viel von der Welt sehen mit möglichst wenig Geld. Ihre drei Kinder waren natürlich mit dabei. Und nach der Reise war vor der Reise – in Deutschland leben die Blankes nämlich nicht mehr …
Teil 8 von 15 der Serie Außergewöhnliche Familien auf Reisen
von KidsAway-Redaktion
Drei fröhliche Backpacker-Kids in Perito Moreno, Argentinien
© Julia Blanke
Julia: Die Fakten ganz kurz: ein Jahr Weltreise durch Südostasien, Australien und Südamerika. Unsere Kinder waren beim Start zehn Jahre, sechs Jahre und ein Jahr alt. Wir haben 13 Länder bereist, in 101 verschiedenen Betten geschlafen, über 70.000 Kilometer zurückgelegt, davon rund 37.000 mit dem Flugzeug, 20.000 in öffentlichen Bussen und 135 mit dem Moped.
Als wir nach dem Jahr wieder „nach Hause“ kamen, hatten wir weder einen Job noch eine Wohnung, also haben wir unsere Sachen gleich wieder gepackt und sind weiter nach Irland gewandert, wo wir uns einen Platz zum Leben an der Südküste gesucht haben. Mittlerweile sind wir zu sechst und genießen die Gelassenheit, mit der das Leben hier vor sich hinplätschert.
Welche Reaktionen bekamt ihr auf eure Reise – von Freunden, Familie und anderen Reisenden?
Einige unserer Verwandten waren sehr hilfsbereit, mit anderen ist die Beziehung darüber zerbrochen. Im Freundeskreis gab es diejenigen, die es klasse fanden, andere bezeichneten uns als „verantwortungslos“. Ganz ehrlich: Wir haben noch nie eine Familie getroffen, die „verantwortungslos“ mit ihren Kindern gereist wäre!
Bei anderen Reisenden gab es von superlieben Menschen bis unerzogenen jungen Rotzlöffeln alles. Unsere Devise: einfach ignorieren. Traveler-Kids werden irgendwann erwachsen, einige werden auch Kinder bekommen und sich vielleicht daran erinnern, wie sch… sie sich früher Familien gegenüber benommen haben.
Was war schwieriger bzw. anstrengender für euch – dass ihr ein Baby dabei hattet oder dass ihr insgesamt drei Kinder hattet?
Keins von beidem. Kinder sind überall auf der Welt Kinder und so hatten wir dieselben Querelen wie zu Hause auch. Unser Geheimtipp war das Tragetuch – damit haben wir uns viel Gepäck und Stress gespart. Wirklich anstrengend war das Beschulen der beiden Großen, das unglaublich viel Zeit und Energie kostete. Die Ungewissheit, wie es nach dem Jahr wohl weitergehen würde oder könnte, belastete uns auch ganz schön.
Wie lange habt ihr euch auf die Reise vorbereitet?
Auch hier gilt: Das kommt drauf an. Wir sind mit einem halben Jahr gut hingekommen, andere planen jahrelang. Ein limitierender Faktor war vor allem das Impfen, das hat sehr lange gedauert.
Wie habt ihr es geschafft, ein Jahr lang „aus dem Rucksack“ zu leben?
Ich trage dich bis ans Ende der Welt... Mungo Nationalpark, Australien © Julia Blanke
Nach unserer Erfahrung brauchen Kinder gar nicht so viel Kram, das scheint mir ein von den großen Babyprodukte-Herstellern implementierter Imperativ zu sein. Es geht nicht nur ohne all die Extras, sondern es ist auch die Chance einer ganz tollen Erfahrung. Und falls wirklich mal etwas fehlt oder kaputt geht, kann man fast überall günstig Klamotten nachkaufen.
Außerdem griff hier wieder unser Geheimtipp: Statt einer großen, unflexiblen Baby-Kraxe haben wir Florian in ein Tragetuch gesetzt und Christian konnte so einen ganz normalen Rucksack „zusätzlich“ tragen.
Du hast schon angedeutet, dass ihr eher sparsam seid – wie habt ihr das mit dem Geld gemacht…?
Wir haben für die Reise nie aktiv gespart! Das Geld hat sich von ganz allein angesammelt, weil wir im Alltag einfach nicht so viel ausgeben; wir sind ganz schlechte Konsumenten. Vorher zu wissen, was so eine Reise kostet, ist sowieso fast unmöglich. Wir haben es zu fünft für ein Jahr mit 25.000 Euro geschafft. Und da war alles drin, von Krankenversicherung bis Flügen. Das ist weniger, als man in derselben Zeit in Deutschland an Hartz 4 bekommt. Aber so zu reisen, ist halt nicht jedermanns Sache.
Wie sah denn euer Reise-Alltag aus?
Eine der größten Erkenntnisse für uns war, dass Reisen auch Alltag und Routinen bedeutet. Essen, Schlafen, Waschen, Schule! Jeder hatte seine Aufgaben, das hat sich mit der Zeit eingespielt.
Wenn wir „gereist“ sind, hieß es packen und zur Busstation laufen, hinsetzen und einer von uns Erwachsenen ging los und suchte das geeignetste Angebot für uns. Während das Gepäck aufs Dach oder unter die Sitze gequetscht wurde, quetschten wir fünf uns auf unsere drei Sitze. Während der Fahrt haben wir uns in den neuen Ort eingelesen und potenzielle Unterkünfte im Reiseführer markiert.
Am Zielort holte einer das Gepäck, während der Rest schön zusammen blieb und die Hühner sattelte. Wir waren immer die letzten, die die Busstation verließen, somit waren die meisten der aufdringlichen Taxifahrer schon weg. Dann liefen wir gemächlich in die Stadt und suchten nach einem Guesthouse. War dieses gefunden, hatten wir meist nebenher schon gesehen, wo Supermärkte, Essensstände und Wäschereien waren, so dass wir gleich wieder mit unseren Routinen weitermachen konnten. Voilá!
Wo fandet ihr es am schönsten – wenn man das so pauschal überhaupt sagen kann?
Essen, was auf den Tisch kommt: Street food in Bukittinggi, Indonesien © Julia Blanke
Chile und Peru waren ebenfalls superfreundlich. Argentinien hat Wahnsinnslandschaften, aber die Menschen waren mit Abstand die unfreundlichsten von allen. Paraguay ist… Paraguay. Bolivien war unser Favorit in Südamerika, dort habe ich mein Herz verloren. Tja, und Brasilien? Das Land mit den krassesten Kontrasten, aber wir hatten im Jahr zuvor genug gelernt, um sicher durch Sao Paulo und Rio de Janeiro zu kommen.
Die Welt ist in diesem Jahr enorm geschrumpft und dennoch viel zu groß, um alles je gesehen zu haben. Unsere Erkenntnis: Es geht beim Reisen nicht so sehr ums Sehen, sondern ums Sein.
Welches Land war euer Favorit für das Reisen mit Kindern?
Australien war sicher das komfortabelste Land, um mit Kindern zu reisen. Die Menschen waren unglaublich kinderfreundlich und die Infrastruktur rund um Kinder ist beeindruckend. Wir mussten nie hinter unserem Wicht herrennen, weil Swimmingpools und Spielplätze immer exzellent gesichert waren. In erstere kam er nicht rein, aus letzteren nicht raus.
Dennoch ist unser persönlicher Favorit Laos. Die Menschen waren unglaublich lieb, die Fortbewegung ist einfach, entspannt und günstig. Es gibt viele tolle Sachen zu sehen und zu machen, das Essen auf den Straßen ist herausragend.
Gibt es Länder, die ihr definitiv nicht mit Kindern bereisen würdet?
Auf jeden Fall! Kriege, Naturkatastrophen und Epidemien sind klare Kriterien, einen Besuch zu vermeiden. Wobei hier bestimmt Abstufungen bestehen und auch unterschiedliche Wahrnehmungen, wann eine Krise eine Krise ist.
Was sind eure ganz praktischen Tipps als Reiseprofi-Eltern?
Flexibilität. Es gibt immer einen Bus, nur vielleicht eben nicht in die Richtung, in die man ursprünglich wollte. Unser Grundmotto: Wir gehen erstmal davon aus, dass die Menschen uns nichts Böses wollen. Das hat uns sehr geholfen, Menschen nicht von vornherein argwöhnisch, sondern mit einem Lächeln zu begegnen.
Gab es etwas, was euch beim Reisen mit Kindern geärgert hat?
Es gibt immer einen Bus - Bangkok, Thailand © Julia Blanke
Der Hauptnachteil beim Reisen mit älteren Kindern ist aber definitiv die viele Zeit, die wir mit dem Beschulen verbringen mussten. Das hat Nerven gekostet! Wir hatten vorher nicht gedacht, dass wir auch auf der Reise so viel Zeit für „Alltag“ brauchen würden. Immer war irgendetwas zu tun und wenn nicht, waren wir einfach fertig. Darunter hat besonders Christian sehr gelitten, der sich so darauf gefreut hatte, mehr Zeit für die Kids zu haben.
Auch die Beziehung wurde auf eine harte Probe gestellt, da es so gut wie keine Zweisamkeit gab. Abends einfach mal rauszugehen, war nur sehr bedingt möglich. Reisen ist halt nicht dasselbe wie Urlaub; aber das war auch nie unsere Absicht.
Was haben eure Kinder von der großen Reise mitgenommen?
Auf diese Frage bin ich auch sehr gespannt, wenn unsere Kinder in zehn oder zwanzig Jahren erzählen, wie sie es wirklich fanden und was wirklich hängen geblieben ist.
Wir glauben, unsere Kinder haben gelernt, dass Leben überall auf der Welt möglich ist und Alltag im Prinzip überall gleich aussieht. Direkt nach unserer Rückkehr nach Irland zu ziehen und dort in die Schule zu gehen, hat ihnen daher keine Probleme bereitet. Es war einfach ein weiteres Land, ein weiteres Abenteuer und das passte schon.
Hat die Reise auch euch Eltern verändert?
Wenn uns diese Reise der Extreme nicht verändert hat, dann haben wir entschieden zu viel Geld ausgegeben! Wir möchten gern glauben, dass wir es hier und da geschafft haben, etwas über unseren eigenen Tellerrand zu schauen. Die größte Erkenntnis ist wohl, dass die Welt einfach viel zu groß ist, um alles zu sehen, geschweige denn zu verstehen.
Würdet ihr diese Reise im Nachhinein noch einmal machen?
Jein. Heute fällt es schon schwer, sich so eine lange Reise noch einmal vorzustellen. Wir haben hier unseren Platz fürs erste gefunden. Unsere Kids haben sich ein Umfeld aufgebaut, das wollen sie nicht wieder aufgeben. Das Gute ist ja: Wir haben keinen Druck mehr, so eine Reise wagen zu müssen, denn wir haben es schon getan.
Was ist euer Plan für die nächsten Jahre?
Kaum zu glauben, aber wir sind mittlerweile unter die Eigenheimbesitzer gegangen und leben wohl eines der konventionellsten Lebensmodelle, das man sich vorstellen kann (selbst wir müssen zwischendurch mal ein bisschen Geld verdienen). Hätte man uns das vor ein paar Jahren prophezeit, ich hätte es für Mumpitz gehalten. Aber gehört es nicht auch zu einem kreativen Leben, möglichst unterschiedliche Modelle auszuprobieren?
Wenn eine Fee mit drei Wünschen käme: Was ist euer großer, unerfüllter Reise-Traum?
Ganz klar, die nordischen Länder. Die waren und sind immer noch viel zu teuer für uns, aber hin wollen wir auf jeden Fall. Auf dem Landweg nach Australien oder nach Südafrika sind auch zwei Projekte, die noch auf uns warten.
Danke für das Gespräch, Julia – wir sind gespannt, wo wir euch in fünf Jahren sehen werden!
Familie Blanke hat ihr Hobby (teilweise) zum Beruf gemacht und nach der Weltreise ein spezielles Reise-Tragetuch entwickelt. Wer eines haben möchte, schaut am besten auf der Website backpacker-kids vorbei, wo ihr auch die lange Reise in vielen sehr persönlichen Blogeinträgen nacherleben könnt.
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Die komplette Serie Außergewöhnliche Familien auf Reisen
- Teil 1: Mit Lkw und Kind auf der Straße des Lebens
- Teil 2: Eine globale Familie auf Weltenbummelei
- Teil 3: Mit Baby im Fahrradanhänger durch Neuseeland
- Teil 4: Die Reise-Profis – mit Teenagern unterwegs
- Teil 5: Mit drei Kindern im Lkw durch Südamerika
- Teil 6: Mit Lola und Nanuk um die Welt
- Teil 7: Mit Fahrrad und Anhänger durch Südostasien
- Teil 8: Einmal um die Welt – für wenig Geld
- Teil 9: Allein mit Kind um die Welt – na klar!
- Teil 10: Weihnachten unter Palmen – vier Schweizer grüßen aus Thailand!
- Teil 11: Mit drei Kindern im Wohnwagen unterwegs – ohne Rückkehrdatum
- Teil 12: Reisen mit schulpflichtigen Kindern: unsere Erfahrungen als Freilerner-Familie
- Teil 13: Allein reisen mit Kind? Nein, allein reisen mit Mama!
- Teil 14: Was kostet eine Weltreise mit Kindern? Wir rechnen nach
- Teil 15: Allein mit Kind von Nepal durch Südamerika
Wow – was für eine Erfahrung! Respekt. Auch tolle Bilder.