KidsAway-FamilieninterviewZwischen Himbeeren und Schweinestall: Wwoofing mit Kindern in Kalifornien

Statt mit dem Wohnmobil die USA zu erkunden, probierte Familie Schuster auf der letzten Station ihrer Weltreise etwas anderes aus: Sie arbeiteten fleißig auf einer Farm mit. Davon waren nicht nur die drei Kindern begeistert!

von KidsAway-Redaktion


Beim Wwoofen arbeiten auch die Kleinsten mit © Kristin Schuster

Beim Wwoofen arbeiten auch die Kleinsten mit

© Kristin Schuster

WWOOF, das seltsame Akronym steht wahlweise für „Willing Workers on Organic Farms“ (auf Deutsch: freiwillige Arbeiter auf Bio-Bauernhöfen) oder „World Wide Opportunities on Organic Farms“ (etwa: weltweite Gelegenheiten auf Bio-Bauernhöfen). Kurz gesagt, handelt es sich dabei um ein Programm, das Bio-Bauernhöfe und Freiwillige zusammenbringt.

Es ist eine Win-win-Situation, bei der kein Geld fließt: Die Bauern gewinnen kostenlose Arbeitskräfte, die Freiwilligen bekommen einen tiefen Einblick in das landestypische Leben auf einer Farm – und lernen sich dabei oft selbst besser kennen.

Auch Familien mit Kindern können sich als Arbeiter auf den Höfen bewerben – eine tolle und kostengünstige Möglichkeit für intensive Reisen in fast jedes Land der Welt. Kristin lebt mit ihrem Mann und drei Kindern (11, 9 und 7 Jahre alt) in Hamburg. Sie hat uns von ihren Erfahrungen beim Wwoofing in den USA berichtet.

 

FrageLiebe Kristin, wie seid ihr auf die Idee gekommen, mit euren Kindern zu wwoofen?

Kristin: Zum Wwoofen kamen wir eher aus der Not heraus: Im September 2013 waren wir zu einer Weltreise aufgebrochen. In Australien und Neuseeland waren wir insgesamt acht Monate per Wohnmobil unterwegs. Es gab zwar schon eine feste Route, aber wir haben eigentlich immer erst morgens überlegt, wo wir am Abend sein wollten. Das war herrlich entspannt, genauso hatten wir uns die Auszeit vorgestellt.

In Neuseeland haben wir von anderen Reisenden schon vom Wwoofing gehört, konnten uns aber nicht vorstellen, wie wir das mit den Kindern und unserem Bedürfnis nach Freiheit verbinden sollten.

Nach drei Wochen auf Fiji sollten zwei Monate USA den Schlusspunkt der Reise bilden. Hier stellte sich aber schnell heraus, dass wir mit unserer Art zu reisen nicht weiterkamen. Wir hätten uns auf diese Etappe viiiel besser vorbereiten müssen.

Wir fanden nie schöne Campingplätze. Alles, was an Idylle einigermaßen mit Neuseeland vergleichbar gewesen wäre, hätte man in den State Parks oder Nationalparks suchen müssen. Aber die waren zu der Jahreszeit (Juni/Juli) schon weit im Voraus ausgebucht.

So wurden wir immer verzweifelter. Wir hatten keine Lust, die letzten zwei Monate der Reise auf schrecklichen Campingplätzen direkt neben dem Highway zu verbringen. Eine Freundin, die auch gerade mit Mann und Sohn im Campervan in Amerika unterwegs war, gab uns den Tipp mit dem Wwoofing.

 

FrageWie habt ihr so kurzfristig euren Wwoofing-Hof gefunden?

Die "Sweet Pea Farm" in Arroyo Grande/Kalifornien © Kristin Schuster

Die "Sweet Pea Farm" in Arroyo Grande/Kalifornien

© Kristin Schuster

Ich habe mich bei WWOOF USA angemeldet (die Mitgliedschaft gilt ein Jahr und ist nicht teuer) und nach Farmen in unserer Nähe geschaut. Auf der Website von WWOOF USA stellen sich die verschiedenen Farmen kurz vor, beschreiben, was sie anbauen oder welche Tiere sie haben und wofür sie Wwoofer suchen.

Viel wichtiger sind aber die Bewertungen der bereits dort gewesenen Wwoofer! Daran habe ich mich stark orientiert und bei uns in der Nähe eine Himbeerfarm mit überschwänglichen Bewertungen gefunden: die „Sweet Pea Farm“ in Arroyo Grande in Kalifornien. Ich habe gleich per E-Mail angefragt, ob wir für ein paar Tage mit Kind und Kegel und unserem Wohnmobil vorbeikommen könnten, und bekam eine sehr herzliche Antwort. Aus den geplanten drei Tagen wurde erst eine Woche, dann ein Monat. Unsere Rundreisepläne haben wir zugunsten der tollen Zeit auf der Farm schnell aufgegeben.

 

FrageWas waren eure täglichen „Pflichten“?

Wir mussten Himbeeren pflücken, sortieren und für den Verkauf verpacken, Tiere füttern, Ställe säubern und instandsetzen. Sehr häufig haben wir auch Marmelade eingekocht. Außerdem mussten der große Gemüsegarten gepflegt und die Bewässerungssysteme regelmäßig kontrolliert werden…

Ich habe oft für alle Farmbewohner gekocht. Aber gerade abends haben wir meist alle zusammen in der Küche gestanden und jeder hat etwas zum abendlichen Buffet beigetragen. Der von uns Wwoofern am meisten gehasste Job war „weeding“ – Unkraut jäten!

Die Kinder waren von diesen Pflichten ausgenommen, sie hatten aber auch „ihre“ Jobs. Meine Tochter hat sich häufig um die drei Pferde gekümmert, die Jungs um die zwei Hunde. Sie haben auch oft das Gießen der Kübelpflanzen übernommen oder andere kleine Aufgaben, die so anstanden.

 

FrageBeschreib doch bitte einen ganz normalen Tag als Wwoofer.

Ackern auf dem Feld - das gehört dazu © Kristin Schuster

Ackern auf dem Feld - das gehört dazu

© Kristin Schuster

Wir sind jeden Morgen gegen 6:30 Uhr aufgestanden (nur mein Mann und ich, die Kinder durften ausschlafen) und haben zunächst die Tiere versorgt: Die 86 Legehühner mussten gefüttert werden, dann hieß es frisches Wasser auffüllen, den Stall vom Kot befreien und die frischen Eier einsammeln. Das Gleiche, bis auf das Eier-Einsammeln, wurde bei den 20 kleineren, sogenannten „meat birds“ gemacht (den Hühnern also, die für den Eigenverzehr gedacht waren). Bei den Pferden und den zwei Schweinen wurden ebenfalls die Ställe gesäubert und Futter verteilt.

Wenn alle Tiere versorgt waren, ging es ab in die Felder, um die Himbeeren zu pflücken, bevor die Sonne sie zermatscht. Danach wurden sie sortiert und verpackt. Gegen 9 Uhr gab es ein reichhaltiges Frühstück mit anschließender Besprechung, was es an Aufgaben für den Tag gab und wer sich worum kümmert.

Mittagessen gab es meistens um 12:30 Uhr. Dann wurde von 13:30 Uhr nochmal bis etwa 16 Uhr gearbeitet und danach hatte man frei. Dann konnten wir duschen oder mal Ausflüge machen oder einfach nur faulenzen…

 

FrageHat es euren Kindern beim Wwoofen gefallen?

Den Kindern hat es sehr gefallen. Alle Farmbewohner und Mit-Wwoofer waren wundervoll und herzlich und haben unsere Kinder geliebt. Unsere drei hatten viele Freiheiten, bekamen aber auch ihre Aufgaben. Die anderen Wwoofer haben begeistert mit den Jungs Fußball gespielt oder versucht, ihnen Englisch beizubringen.

Ein anderer Aspekt für die Kinder war, dass sie nach zehn Monaten on tour wieder so etwas wie eine Heimat hatten. So sehr sie alle die Reise genossen haben, merkten wir doch auch immer wieder, dass es den Kindern wesentlich schwerer fiel als uns, elf Monate fern der Heimat zu sein.

 

FrageWas war das Schönste am Wwoofen für euch?

Tiere erlebt man beim Wwoofen hautnah © Kristin Schuster

Tiere erlebt man beim Wwoofen hautnah

© Kristin Schuster

Das Schönste für uns waren die vielen Erfahrungen, die wir sammeln konnten. Ich habe meine Leidenschaft für den Gemüseanbau entdeckt und sofort nach unserer Rückkehr ein Hochbeet in meinen Garten gebaut, wo ich diesen Sommer hoffentlich die ersten Dinge ernten kann.

Wir haben viele Erfahrungen mit Tieren gesammelt. Mein Mann und ich waren für die Hühner zuständig und haben diese Aufgabe sehr genossen – es ist ein tolles Gefühl, Tiere zu versorgen, deren leckere Eier man dann zum Frühstück essen darf.

Die Jungs haben ihre Scheu vor großen Hunden verloren und sind viel selbstsicherer im Umgang mit Tieren geworden. Das schönste Projekt für uns als Familie war es, ein Gemüsefeld anzulegen und dort Samen auszusäen. Das haben wir fünf zusammen gemacht und das hat unheimlich viel Spaß gemacht. Wir mussten selbst planen, wo wir welche Samen setzen, wie die Bewässerung laufen soll und haben selbst die Kennzeichnungsschilder gebastelt. Es war ein tolles Gefühl, dann zu sehen, wie aus „unseren“ Samen richtige Pflanzen wuchsen.

Eine andere, sehr einprägende Erfahrung war die Schlachtung der beiden Schweine. Wir hatten auf der Reise schon viel über unseren Fleischkonsum nachgedacht und ihn infrage gestellt. Eigentlich sollte man nur Fleisch essen, wenn man genau weiß, was da alles dazugehört: also auch eine Schlachtung. Da war es für uns wie ein sich schließender Kreis, dass wir auf der Farm zuschauen durften, wie ein Tier geschlachtet wird. Wir haben das Fleisch später gegessen, was zuerst eine Überwindung war – letzte Woche hatten wir die Viecher ja noch gefüttert –, aber letztendlich ein besonderer Genuss. Seitdem kaufen wir nur noch sehr selten Fleisch, aber dann vom Biohof unseres Vertrauens.

 

FrageWelche Tipps könnt ihr anderen Familien geben, die wwoofen wollen?

Auf jeden Fall darauf achten, dass der Hof Tiere hat! Kinder finden es toll, wenn sie auch eine Aufgabe übernehmen können, und das geht am besten und auch mit der größten Freude bei Tieren.

Die Erwachsenen sollten sich nicht vor körperlicher Arbeit scheuen – Wwoofen bringt nur Spaß, wenn man richtig mit anpackt und abends das Gefühl hat, sich auch den dritten Nachschlag vom Abendessen redlich verdient zu haben.

Außerdem sollten eure Kinder nicht zu klein sein. Je nach Hof und Aufgaben müssen sie in der Lage sein, sich mal ein bis zwei Stunden allein zu beschäftigen. Es sei denn, ihr vereinbart von vornherein, dass immer nur einer von euch arbeitet und der andere die Kinder hütet. Aber dann geht meiner Meinung nach das Prinzip des Wwoofens, Arbeiten für Kost und Logis, nicht mehr so richtig auf.

 

FrageWelche Erfahrungen habt ihr von eurer Wwoof-Zeit mitgenommen?

Der passende Schweinestall zum deutschen Fußball-WM-Sieg © Kristin Schuster

Der passende Schweinestall zum deutschen Fußball-WM-Sieg

© Kristin Schuster

Ich fand es toll, die Arbeit auf einer Farm wirklich zu erleben: die körperliche Arbeit, die verschiedenen Aufgaben, die dazugehören. Wir konnten ganz neue Dinge lernen und ausprobieren, die wir in unserem Alltag oder in anderen Urlauben nie gemacht hätten, zum Beispiel Baggerfahren. Einmal haben mein Mann und ich ein neues Haus für die Ferkel gebaut. Ich musste lernen, wie die komplexe Bewässerungsanlage funktioniert, um sie warten zu können. Außerdem sind wir jetzt Profis im Marmeladekochen!

 

FrageGibt es auch etwas, was du am Wwoofen nicht so toll fandest?

Wenn man in seinem Jahresurlaub mit den Kindern für zwei Wochen auf einem Bauernhof wwoofen geht, kann ich mir vorstellen, dass einem die Freizeit ein bisschen fehlt. Man kommt eher wenig dazu, Unternehmungen, Wanderungen oder Sightseeing-Touren zu machen. Aber das kann auch von Hof zu Hof unterschiedlich sein.

Für uns war es der perfekte Abschluss am Ende unserer großen Reise, uns hat auch die körperliche Arbeit nicht gestört.

 

Liebe Kristin, vielen Dank für das ausführliche Interview!

 

Wenn ihr noch mehr Informationen und Tipps zum Wwoofen sucht, schaut euch mal unseren Beitrag zum Wwoofen mit Kindern an!


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