KidsAway-Familieninterview Hoch auf dem gelben Wagen… Eine Planwagenreise mit dreieinhalb Kindern

Flugzeug, Auto, Fahrrad – langweilig! Jenny und ihre Familie haben im Sommer mal was ganz anderes ausprobiert und eine Reise in die Vergangenheit gemacht – mit einer Pferdestärke durch die Altmark.

von KidsAway-Redaktion


Ruhe, Ruhe, Ruhe - Planwagenferien sind nichts für Actionsucher © Jennifer Benkau

Ruhe, Ruhe, Ruhe - Planwagenferien sind nichts für Actionsucher

© Jennifer Benkau

Frage Liebe Jenny, stell uns doch bitte zunächst kurz deine Familie vor!

Jenny: Hallo zusammen. Wir sind Oliver, 35, kaufmännischer Angestellter und Jenny, 33, Romanautorin. Dann unsere drei Kinder Emily, 12, Liam, 10 und Julie, gerade 7 geworden. Während der Reise war ich in der 20. Woche schwanger mit unserem Bauchbaby „Wibbel“, das war natürlich auch dabei. Dann haben wir noch zwei Hunde, Schäferhündin Abby und Beagle Selma – auch die beiden reisten mit.

Alle zusammen passen wir nur mit Mühe in einen normalen Mittelklassewagen – ob wir für eine Woche in einem Planwagen Platz finden würden, war das große Abenteuer.

 

Frage Was hat euch auf die Idee einer Planwagenreise gebracht?

Seit ich vor Jahren in einer Zeitschrift von dieser Möglichkeit des Reisens in Irland gelesen habe, war das mein Traum. Als ich erfuhr, dass das auch in Deutschland geht, was einfach wesentlich preiswerter ist als eine Reise nach Großbritannien, musste ich das unbedingt ausprobieren. Gebucht haben wir bei Nenny Albrecht – www.pferdewohnwagen.de – weil uns hier das Gesamtpaket am stimmigsten erschien.

Wir brauchten zum einen einen möglichst großen Wagen für uns alle, zum anderen war mir mit einem Kaltblüter als Zugtier wohler. Wenn man weniger Platz und Komfort braucht, kann man bei anderen Anbietern aber auch viel sparen!

 

Frage Der Umgang mit einem Kutschpferd ist doch sicherlich nichts für Anfänger?

Beim Anschirren können auch die Kinder schon mitmachen © Jennifer Benkau

Beim Anschirren können auch die Kinder schon mitmachen

© Jennifer Benkau

Das dachte ich zuerst auch – aber die Organisatorin und die Familien, die wir unterwegs kennenlernten, belehrten uns eines Besseren: Das kann nach der Einweisung jeder! Das Geschirr unseres Zossen war eine Art „Marke Eigenbau“, extrem vereinfacht und in unterschiedlichen Farben gehalten, so dass man wirklich nichts falsch machen konnte. Für den Notfall war ein Handbuch dabei, das alles genau beschrieb. Wäre das Pferd nicht 1,85 m hoch gewesen, hätten die kleineren Kinder es allein fertigmachen und anspannen können, brav genug war es.

Die Pferde sind ungemein freundlich und verzeihen auch Fehler und zur Not finden sich auf den Übernachtungsstationen immer Helfer. Man sollte vielleicht keine Angst davor haben, ein sehr großes Pferd anzufassen, aber Pferdesachverstand ist nicht erforderlich. Ich gebe allerdings zu, dass ich anspannen, fahren & Co. schon vorher konnte. Meine älteste Tochter und ich sind Reiter, ich bin früher Vierspänner gefahren. Mein Mann war aber absoluter Anfänger und hatte alles Wichtige nach wenigen Kilometern drauf.

Wasser und Kraftfutter, also Hafer für unseren Dorus hatten wir auf dem Wagen dabei. Ansonsten frisst das Pferd hauptsächlich Gras – Nennys Pferde sind ganzjährig auf der Weide. Auf den Übernachtungsstationen kommt das Pferd über Nacht auf die Wiese und unterwegs gibt es geeignete Picknickplätze, wo man rasch eine kleine Koppel abstecken kann.

 

Frage Wo wart ihr mit dem Planwagen unterwegs? Gibt es spezielle Planwagen-Straßenkarten?

Die Tagesabschnitte sind etwa 15 bis 20 Kilometer lang. Das schafft man in vier bis fünf Stunden, wenn man nur kurze Verschnaufpausen macht.

Nenny hat alles ganz genau beschrieben, man kann sich nicht verfahren. Man folgt einer festgelegten und mehrfach „probegefahrenen“ Route, die auf einer Karte mit zusätzlichem Navigationsheft festgehalten ist. Natürlich darf man auch eigene Wege fahren – aber dann riskiert man, nach mehreren  Kilometern abschirren und zurückschieben zu müssen, weil der Weg womöglich zu schmal für den Wagen wird. Es gibt eben keinen Rückwärtsgang und zum Wenden braucht es viel Platz.

Wir haben uns brav an alle Hinweise im Heft gehalten – immerhin waren wir bei hochsommerlichen Temperaturen unterwegs und hatten überhaupt keine Lust, „den Karren aus dem Dreck zu ziehen“.
 

Frage Wie viel Platz ist in so einem Planwagen – kann man das mit Camping vergleichen?

Camping ist ein guter Vergleich: Tagsüber hat man im Wagen recht viel Platz. Es gibt Licht, Gas für zwei Herdplatten und einen gasbetriebenen Kühlschrank. Erstaunt hat uns der optimal genutzte Stauraum, wir hätten doppelt so viel Gepäck mitnehmen können.

Für die Nacht baut man um und es entstehen zwei Betten. Für uns fünf hat es genau gepasst – es war eng, aber gemütlich (vor allem in der einen Gewitternacht) und letztlich war sogar für beide Hunde noch irgendwo Platz in den Betten 😉

 

Frage Wo darf man mit dem Planwagen übernachten?

Damit das Pferd sicher und bequem (= nicht angebunden) übernachten kann und die Versorgung mit genug Gras oder Heu sichergestellt ist, muss man schon die Übernachtungsstationen anfahren. Dort gibt es auch sanitäre Anlagen, zur Not kann man auch mal eine Waschmaschine benutzen.

Die Stationen sind vollkommen unterschiedlich. Wir hatten alles: vom 1960er-Jahre-Original-DDR-Campingplatz über Gemeinschaftsduschen auf dem Ponyhof, die man sich mit 30 wildgewordenen Ferienmädchen teilen muss, bis zum schicken, modernen Bad auf dem Bauernhof oder Komposttoilette (sehr spannend und nicht mit einem Plumsklo zu vergleichen!) und Solardusche im Freien (die toll gewesen wäre, hätten mich und meine Mückenstich-Allergie dort nicht tausend Mücken überfallen).


Frage Was macht man denn so während der Fahrt…?

Ein Schritt nach dem anderen: gemächlich geht es durch die Altmark © Jennifer Benkau

Ein Schritt nach dem anderen: gemächlich geht es durch die Altmark

© Jennifer Benkau

Fahren! Ich gebe zu, das klingt nicht sehr aufregend. Tatsächlich wird es aber keinen Moment langweilig. Die Landschaft sowie die uralten, beinahe brach liegenden Dörfchen in dieser Gegend der Altmark sind wunderschön und nachdem man die erste Nervosität hinter sich gelassen hat, ist es einfach nur entspannend, dahin zu zockeln.

Zu tun ist immer genug: Einer muss fahren, einer die Karte lesen, oft muss einer absteigen und den Verkehr beobachten (der Kutscher selbst hat recht begrenzte Sicht). An vielen Wegen konnten wir Mirabellen, frühe Äpfel oder Wildkräuter ernten. Und unser Dorus hat sich immer gefreut, wenn die Kinder ein Stück neben ihm liefen und Pferdebremsen eliminierten.

 

Frage Was ist für dich das Schöne am Planwagenfahren?

Die Ruhe, die Gemütlichkeit, gepaart mit permanentem, kleinem Abenteuer: „Da sollen wir runter? Den steilen Weg? Kann das klappen? Uaaah!“ Unser Zugpferd, der graue Riese Dorus war ein solcher Schatz, dass der Abschied wirklich schwer fiel und nach einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 4 km/h wieder im Auto zu sitzen, fühlte sich beinah erschreckend an.

 

Frage Wie fanden deine Kinder das Planwagenfahren? Würdest du das anderen Familien empfehlen?

Meine Kinder würden es allesamt gern noch einmal machen – das spricht wohl für sich. Für sie war die Rast an einem Reiterhof das Highlight, dort konnten sie Reitstunden nehmen und wurden ins Freizeitprogramm für die Ferienkinder integriert.

Ich kann so eine Reise wirklich nur empfehlen – allerdings sollten die Kinder ein gewisses Alter haben, damit man nicht mehr ständig aufpassen muss, dass sie nicht unter Hufe oder Räder geraten, in einen Teich fallen, sich verlaufen, wenn sie die Gegend erkunden … Wenn beide Eltern mit Fahren und Verkehr-Absichern beschäftigt sind, muss ein „Bleib sitzen“ einfach unbedingt befolgt werden, sonst könnte es gefährlich werden.

Ganz unabhängig vom Alter muss ein gewisses Gefahrenbewusstsein vorhanden sein. Das Pferd ist ein sanfter Riese und herzensgut – aber es wiegt eine knappe Tonne, hat die Augen recht weit oben am Kopf und kann wie jedes andere Pferd auch mal erschrecken. Kinder müssen wissen, verstehen und sich merken können, dass die Situation Huf-auf-Fuß schnell mal passiert ist und äußerst blöd endet.

Und sie sollten in der Lage sein, mal ein paar Stunden Langeweile zu ertragen – während wir Erwachsenen für die Landschaft schwärmen, kann das für Kinder schon mal öde werden.

 

Frage Gibt es auch kritische Situationen, mit denen man rechnen sollte?

Huf auf Fuß - das könnte bei Kaltblütern böse enden © Jennifer Benkau

Huf auf Fuß - das könnte bei Kaltblütern böse enden

© Jennifer Benkau

Der Puls geht schon mal hoch, wenn Lastwagen rücksichtslos und ohne Abstand am Wagen vorbeischießen und dann nach Möglichkeit noch hupen – aber die Pferde sind das gewöhnt und lassen sich nicht irritieren.

Man sollte sich allerdings nicht darauf verlassen, dass sie die Route selbst kennen. Sie müssen schon gelenkt werden. Dass das Pferd nach links will, heißt nicht, dass es eine gute Idee ist, nach links zu fahren 😉

 

Frage Was kostet denn so eine Tour, kann man das pauschal sagen?

Bei Nenny ist man in der Hochsaison zwischen Juni und September pro Woche mit 1.100 Euro dabei, für 250 Euro kann man noch ein zweites Pferd zum Reiten mitnehmen.

Auf manchen Übernachtungsstationen kommen nochmal 20 bis 25 Euro pro Nacht dazu, außerdem natürlich die Verpflegung, die man am besten mitbringt: Einkaufen ist auf der Tour nur an wenigen Punkten möglich, in den meisten Dörfern, die man passiert, gibt es gar keine Geschäfte; nicht mal Hofläden oder Stände mit Selbstbedienung. Nichts. Zum Glück sammelten die Kinder Unmengen an frühreifen Äpfeln und Birnen an der Strecke …

Im Mietpreis enthalten:

  • Pferd und Wagen (mit Bettdecken, Kopfkissen, Bettwäsche, Geschirr, Küchenutensilien)
  • Einweisung im Umgang mit Pferd und Wagen incl. Probefahrt mit Ausbilder
  • Landkarte, Routenplan mit Übernachtungsstationen, Infomaterial über Sehenswerte Dinge
  • Gas für Licht, Herd und Kühlschrank, Kraftfutter für das Pferd
  • Handbuch zum Umgang mit Pferd und Wagen und Notrufnummern für unterwegs
  • Haftpflichtversicherung für Pferd und Wagen

 

Als Kaution fallen noch einmal 220 Euro an.

 

Frage Und wenn ich mir den Umgang mit einem Pferd ganz allein nicht zutraue?

Damit gehen die Anbieter unterschiedlich um. Bei Nenny hat man die Möglichkeit, für einen Aufpreis einen Kutscher mitzunehmen. Man kann aber auch allein fahren und sich an den Stationen beim An- und Abschirren und Versorgen des Pferdes helfen lassen.

Angst muss man generell nicht haben: Man bekommt Nennys Handynummer und wenn irgendetwas ist (man hat sich verfahren, jemand wird krank, das Pferd weigert sich, von der Weide zu kommen oder hat ein Hufeisen verloren,) kommt sie angeflitzt und hilft.

 

Jenny, wir danken dir für das Interview und wünschen dir noch eine schöne Schwangerschaft!


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