Langzeitreise mit KindSchulfreistellung für die Weltreise – geht das?
„Wir wollten um die Welt reisen und haben uns einfach eine Auszeit genommen.“ - Das klingt verlockend einfach. Spätestens mit Schuleintritt der Kinder wird es aber kompliziert, denn in Deutschland besteht Schulpflicht – und zwar für jedes Kind.
von KidsAway-Redaktion

Mit der Familie um die Welt - auch zur Schulzeit?
© Keoni Cabral/FlickR
Was sagt das Gesetz?
Seit 1919 ist die Schulpflicht in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern, wo es stattdessen eine „Bildungspflicht“ gibt, sind damit alle in Deutschland wohnhaften Kinder – auch solche aus dem Ausland – zum Besuch einer staatlich anerkannten Schule verpflichtet.
Wegen der Kulturhoheit der Bundesländer sind die Regelungen, die mit der Schulpflicht zusammenhängen, in den Landesverfassungen festgeschrieben. Die Folge: Ihre Auslegung variiert je nach Bundesland und es gibt überall abweichende Regelungen, wie mit Freistellungen und Beurlaubungen umgegangen wird. Generell kann Folgendes gesagt werden:
Eine Beurlaubung vom Unterricht (denn darum handelt es sich, wenn ihr euer Kind für mehrere Tage oder Wochen aus der Schule nehmt) ist prinzipiell möglich, soll aber nur aus bestimmten Gründen erlaubt werden. Die Schulbesuchsverordnungen der Bundesländer sprechen hier meist von einem „wichtigen Grund“ oder einem „besonders begründeten Ausnahmefall“.
Als solche gelten zum Beispiel:
- religiöse Veranstaltungen, Feier- und Gedenktage, egal welcher Religion
- Heilkuren oder Erholungsaufenthalte (mit ärztlichem Attest)
- andere Dinge, wie internationale Schüleraustausche, Sprachkurse im Ausland oder die Teilnahme an sportlichen Wettbewerben
- wichtige persönliche Gründe, etwa Hochzeiten oder Beerdigungen in der Familie, Umzüge oder schwere Erkrankungen von Familienmitgliedern
Urlaubsreisen, egal wie sinnvoll und förderlich sie für die Entwicklung des Kindes sein mögen, werden von den Schulbesuchsverordnungen hingegen als „nicht wichtiger Grund“ angesehen. Aber keine Angst: Die Schulverordnungen sind in diesem Bereich bewusst nicht allzu eng ausgelegt, was man daran erkennt, dass die „wichtigen Gründe“ keine abschließenden Aufzählungen sind. Ausnahmegenehmigungen sind also prinzipiell immer möglich!
Die Auslegung der Gesetze – abhängig vom Einzelfall

Homeschooling unterwegs
© Jolante/FlickR
Wollt ihr euer Kind nur für einen oder zwei Tage beurlauben lassen, genügt ein schriftlicher Antrag beim Klassenlehrer oder der Klassenlehrerin – natürlich rechtzeitig, das heißt mindestens zehn Tage vorher. Wollt ihr mehr schulfreie Zeit beantragen, wendet ihr euch direkt an die Schulleitung – wobei hier ein Gespräch mit der Klassenlehrerin im Vorfeld trotzdem zu empfehlen ist, denn die Schulleitung entscheidet selten gegen deren Einschätzung.
Die wiederum hängt ganz von der Person ab – und von euren Überzeugungskünsten. Ist die Lehrerin Reisen gegenüber aufgeschlossen, sieht das Potenzial einer „Bildungsreise“ für euer Kind und schätzt es als lernstark genug ein, um die Abwesenheit vom Unterricht kompensieren zu können, wird sie sicherlich ein gutes Wort bei der Schulleitung für euer Projekt einlegen. Geht es euch nur darum, den Flug nach Mallorca ein paar Tage vor Ferienbeginn zu buchen, weil er dann günstiger ist, sieht es meistens eher schlecht aus.
Eine mehr als 14-tägige Reise ist für die allermeisten Lehrkräfte in Deutschland eine so exotische Vorstellung, dass wir bei unserer Recherche keine Schule finden konnten, an der man Erfahrung mit einem solchen Antrag hatte. Ist die Lehrerin nicht per se begeistert von eurer Idee, müsst ihr also kreativ werden: Seid ihr beruflich so eingespannt, dass ihr von euren Arbeitgebern gemeinsamen Urlaub nur außerhalb der Ferienzeit bekommt? Stehen große Familienfeiern bei Verwandten im Ausland an? Kommt in der Schulferienzeit ein Geschwisterchen zur Welt, so dass ihr nicht verreisen könnt? Überlegt ihr, euren Lebensmittelpunkt in ein anderes Land zu verlegen und wollt euch dort vor der endgültigen Entscheidung über Arbeits- und Wohnungsmarkt informieren?
Homeschooling oder Wiederholung?
Habt ihr das Okay für eine längere Beurlaubung bekommen, steht die nächste Frage an: Wie soll mit dem Unterrichtsausfall während der Reise umgegangen werden? Darüber entscheidet ebenfalls die Schulleitung, in Absprache mit Lehrern und Eltern. Das kann von eigens zusammengestellten Unterrichtsmaterialien und Lernplänen für Homeschooling „on the road“ durch die Eltern bis zum vorher vereinbarten Wiederholen eines Schuljahres reichen und liegt allein im Ermessensspielraum der Schule.
Haltet ihr euch im Ausland für längere Zeit am gleichen Ort auf und besucht euer Kind dort eine Schule, läuft die Freistellung von der deutschen Schule im Rahmen einer zeitlich befristeten „Umschulung“. Auch darüber entscheidet, wenn es sich um überschaubare Zeiträume bis zu einem Jahr handelt, die Schulleitung.
Wenn die Beurlaubung verweigert wird
Hat die Schulleitung euren Antrag auf Beurlaubung abgelehnt, müsst ihr euch entscheiden, wie wichtig euch die Reise ist. Auf eine Freistellung habt ihr keinen Rechtsanspruch und ihr solltet sie auch nicht erzwingen! Hierzu gibt es verschiedene Gerichtsurteile. Es hilft in dem Fall auch nichts, nach der Rückkehr aus dem Urlaub eine Krankschreibung nachzureichen, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden (AZ. 5 Ss (OWi) 380/95).

Auch in anderen Ländern muss Schule sein
© Stefan Munder/FlickR
Wenn gar nichts anderes geht, gibt es noch eine Möglichkeit: Wollt ihr sowieso für längere Zeit reisen, könnt ihr euch von eurem Wohnort in Deutschland offiziell abmelden. Dann bekommt ihr zwar auch kein Kindergeld mehr und seid nicht mehr krankenversichert (und eine ganze Menge andere Dinge, die mit dem Aufenthaltsstatus zusammenhängen), aber ihr entgeht der deutschen „Zwangsbeschulung“.

Euer Kind ist in jedem Land der Welt unterrichts- bzw. schulpflichtig (je nach Rechtslage), aber in Ländern mit reiner „Unterrichtspflicht“ können den Unterricht unter Umständen auch die Eltern übernehmen. Fragt am besten bei der Botschaft eures Ziellandes, wie dort die Schulpflicht gehandhabt wird und welche Fächer vorgeschrieben sind. Vorsicht: Ausländische Schüler (denn die deutsche Staatsbürgerschaft behaltet ihr ja trotzdem) zahlen mitunter ein empfindlich hohes Schulgeld.
Recht und Gesetz – Verbote und Bußgelder
Was ihr nicht tun solltet: euch ohne Freistellungserlaubnis über die Schulpflicht hinwegsetzen, indem ihr euer Kind entschuldigt oder beim Arzt eine (nicht gerechtfertigte) Krankschreibung beschafft. Überlegt euch gut, welche Werte ihr euren Kindern damit vorlebt, wenn ihr euch über Gesetze und Regeln der Schule hinwegsetzt und sie vielleicht noch zum Lügen anstiftet.
Ganz zu schweigen von den rechtlichen Folgen: Nehmt ihr euer Kind ohne Genehmigung der Schulleitung aus der Schule, droht euch zunächst eine Verwarnung oder ein Bußgeld vom Ordnungsamt, dem Kind droht ein Tadel oder ein Eintrag ins Zeugnis. Eine Verwarnung kann sich für einmalige Vorkommnisse und einzelne Fehltage auf 35 Euro belaufen, schwerwiegendere „Vergehen“ können aber mit 500 Euro (in Bayern) bis zu 1.250 Euro (in Sachsen) geahndet werden.
Während eigenmächtige Schulfreistellungen in den meisten Bundesländern so selten vorkommen, dass es keine verbindlichen Regelungen dafür gibt, sind in Hamburg für den Tatbestand „ungenehmigte Ferienverlängerung“ 200 Euro im Bußgeldkatalog vorgesehen. Dass Flughafenbeamte in den Tagen vor Ferienbeginn und nach Ferienende eine Freistellungsbescheinigung für schulpflichtig erscheinende Kinder sehen wollen, gehört allerdings ins Reich der urbanen Mythen.
Eltern, die die Schulpflicht ihrer Kinder über längere Zeit nicht durchsetzen, machen sich in Deutschland sogar strafbar (siehe zum Beispiel § 114 Hamburger Schulgesetz) – und sind dafür auch bereits zu Gefängnisstrafen verurteilt worden.
Gute Erfahrungen

Schulaufgaben unterwegs
© eefeewahwah/FlickR
Familie Clavin, gerade zurück von einer mehrmonatigen Reise nach Südostasien, erzählt auf ihrer Website, wie sie Tochter Amelie auf Reisen selbst unterrichten, mit Unterstützung der Kreuzberger Grundschule und der reisebegeisterten Lehrerin. Familie Richert segelte mit ihren beiden Kindern jahrelang um die Welt. Der Antrag auf Schulfreistellung ging nach ihrer Auskunft problemlos über die Schulbehörde des Bezirks, während der Reise hielt die Familie per E-Mail Kontakt zur bisherigen Klasse ihrer Kinder und bezog auch die passenden Unterrichtsmaterialien.
Prominentestes Beispiel in letzter Zeit ist sicherlich Quizshow-Moderator Jörg Pilawa aus Hamburg. Er hat 2010 mit seiner Familie acht Monate lang die Welt bereist und seine beiden jüngeren Kinder, die sechs und neun Jahre alt waren, dabei gemeinsam mit seiner Frau Irina selbst unterrichtet. Irina Pilawa ist Lehrerin und hat 2007 in Hamburg eine Montessori-Schule mitgegründet, an der sicherlich auch ihre beiden Kinder unterrichtet werden; dies dürfte die Entscheidung der Hamburger Schulbehörde erleichtert haben.
Unser Fazit
Die Schulpflicht in Deutschland wird von den Behörden und vom Gesetz sehr streng gehandhabt. Viele Lehrerinnen und Lehrer schauen jedoch auf den Einzelfall und entscheiden nach eigenem Ermessen – wie lernstark schätzen sie ein Kind ein, welche positiven Wirkungen sehen sie im Reisen? Dass es durchaus möglich ist, eine Beurlaubung von der Schule zu bekommen, zeigen die Beispiele vieler reisender Familien.
Trotz vieler Telefonate konnten wir allerdings keine Schulleitung finden, die tatsächlich schon einmal ein Kind für eine Reise freigestellt hat und sich offen dazu äußern wollte; zu sehr fürchtet man, mit Präzedenzfällen eine Welle von Anfragen auszulösen oder als „zu freizügig“ ins Visier der eigenen Schulbehörde zu geraten. Damit Ausnahmen auch Ausnahmen bleiben, wird vielen Eltern geraten, ihr „Glück“ nicht allzu laut herumzuerzählen – denn prinzipiell ist eine Beurlaubung aus anderen als den oben aufgeführten „wichtigen Gründen“ eben nicht erlaubt.
Eure Tipps
Leserfrage: Habt ihr bereits euer Kind für eine Reise von der Schule mit Erfolg beurlaubt? Was geht, was geht nicht? Was sind eure Tipps für andere Eltern?Ist dieser Artikel lesenswert?
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